Feuerwerk über eingeschneiten Tipis, Freudentränen, Gesänge und Trommeln: Der größte Indianerprotest seit Jahrzehnten hat im US-Bundesstaat North Dakota zu einem unerwarteten Erfolg geführt. Wenige Stunden vor einer kritischen Deadline teilte das Ingenieurskorps der US-Armee mit, den geplanten Verlauf der umstrittenen Dakota Access Pipeline nicht zu genehmigen. Im örtlichen Protestcamp, in dem Tausende zum Teil seit Monaten ausharren, regte sich aber auch Skepsis: Der künftige Präsident Donald Trump wird die Entscheidung womöglich widerrufen.
Seit April halten Mitglieder der Sioux und Unterstützer aus der ganzen Welt in der unwirtlichen Einöde nahe Cannon Ball öffentliches Land besetzt. Sie protestieren gegen die Verlegung der Ölleitung unter einem Reservoir des Missouri River. Ihrer Meinung nach gefährdet eine Pipeline unter dem Lake Oahe nicht nur die Trinkwasserversorgung ihres Reservats Standing Rock, das einen knappen Kilometer entfernt liegt, sondern auch diejenige großer Teile von South Dakota.
Die Ureinwohner beklagen die Missachtung heiliger Stätten
Die Dakota Access Pipeline ist zu großen Teilen fertiggestellt. Das vier Milliarden Dollar teure Projekt soll Rohöl aus der Bakken-Region in North Dakota nach Illinois bringen, es hat eine Kapazität von bis zu 570 000 Barrel am Tag.
Die Ureinwohner beklagen auch die Missachtung heiliger Stätten. Sie begreifen ihren Protest als grundsätzliche Auflehnung: Seit der Schlacht von Little Bighorn im Jahr 1876 sei es das erste Mal, dass die Nation der Great Sioux vereint für etwas kämpfe, sagen Teilnehmer. Der Bewegung haben sich Stämme aus den gesamten USA angeschlossen. Sie ist auch ein Zeichen gegen die jahrhundertealte Salamitaktik, mit der die Ureinwohner in den USA an den Rand gedrängt wurden.
Im November war es zwischen Demonstranten und hochgerüsteten Polizisten zu Zusammenstößen gekommen, bei denen die Sicherheitskräfte Gummigeschosse, Tränengas und trotz Temperaturen unter dem Gefrierpunkt auch Wasserwerfer einsetzten. Die öffentliche Aufmerksamkeit erreichte schließlich den Kongress in Washington, der die Bewegung im Präsidentschaftswahlkampf größtenteils ignoriert hatte.
North Dakotas republikanischer Gouverneur Jack Dalrymple hatte die Demonstranten zuletzt aufgefordert, ihre Zeltstadt bis zum gestrigen Montag zu räumen. Doch die zeigten sich unversöhnlich: Das Land, auf dem sie kampieren, gehöre in Wahrheit nicht einmal den USA, sondern sei 1851 den Indianern zugesprochen worden. Übers Wochenende waren Hunderte Militärveteranen in die Camps gereist, um sich im Fall einer neuerlichen Konfrontation als menschliche Schutzschilde anzubieten.
Nun hat Washington den Konflikt entschärft: Trotz fortdauernder Gespräche mit den Beteiligten gebe es noch einiges zu tun, sagte Jo-Ellen Darcy vom Ingenieurskorps der Army. „Der beste Weg, diese Arbeit verantwortlich und schnell fertigzustellen, ist die Suche nach alternativen Routen für die Pipeline-Querung des Flusses.“
Der Stammesvorsitzende der Standing Rock Sioux begrüßte die Entscheidung. „Der Standing Rock Sioux Stamm und das gesamte Indian Country werden der Regierung Obama ewig für diese historische Entscheidung dankbar sein“, sagte Dave Archambault II. Obama hatte die Protestierer schon im September ermutigt. Brian Cladoosby, Präsident des National Congress of American Indians, bedankte sich „bei allen Wasserschützern, die für vertragliche Stammesrechte und den Schutz von Mutter Erde eingetreten sind“.
Trotzdem wollen viele in den Camps ausharren – obwohl die Temperaturen bald auf bis zu minus 20 Grad sinken.
Mehr als eine Atempause ist der Sieg nämlich nicht. Haupteigner Energy Transfer Partners aus Texas teilte am Sonntag mit, die Firma gehe mit Nachdruck davon aus, „den Bau der Pipeline ohne irgendwelche zusätzlichen Umleitungen in und um Lake Oahe fertigzustellen“. Ein Sprecher des Wirtschaftslobby-Verbandes „Midwest Alliance for Infrastructure Now“ kritisierte, die Regierung habe das gesamte öffentliche Verwaltungssystem umgangen. „Da der designierte Präsident Trump in wenigen Wochen die Regierung übernimmt, hoffen wir, dass das nicht das letzte Wort zur Dakota Access Pipeline ist.“ Trump hat vergangene Woche nicht nur politische Unterstützung für das Projekt signalisiert. Er ist auch einer der Investoren. US-Medien zufolge hat Trump in Energy Transfer Partners genauso investiert wie in das Unternehmen Phillips 66, dem der Rest der Pipeline gehört.