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BERLIN
In Berlin lebende Imamin bedroht
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 24.05.2022 09:26 Uhr

Seyran Ates hat das alles schon einmal mitgemacht. Einschüchterungen, Beschimpfungen, Drohungen, sogar ein Attentat, bei dem eine Klientin getötet und sie selber lebensgefährlich verletzt wurde. Die seit ihrem sechsten Lebensjahr in Berlin lebende Rechtsanwältin, Frauenrechtlerin und liberale Muslima mit deutscher Staatsbürgerschaft kämpft furchtlos für die Rechte der muslimischen Frauen, gegen das Kopftuch, gegen die Zwangsverheiratung und gegen Ehrenmorde. Nach dem Attentatsversuch 1984 und weiteren massiven Bedrohungen zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück und arbeitete als Anwältin.

Nun jedoch ist es für Seyran Ates schlimmer als je zuvor. Seitdem sie Mitte Juni in Berlin-Moabit in einem Anbau der evangelischen Johanniskirche die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee ins Leben gerufen hat, in der Männer und Frauen, Sunniten, Schiiten und Aleviten gemeinsam beten dürfen, haben die Morddrohungen ein derartiges Ausmaß angenommen, dass sie nach einem Bericht der „Welt am Sonntag“ von mehreren Personenschützern des Landeskriminalamtes Berlin bewacht wird. „Über die sozialen Medien habe ich wegen der Moschee-gründung so viele Morddrohungen bekommen, dass das LKA zu der Einschätzung gelangt ist, mich rund um die Uhr schützen zu müssen“, sagte sie der Zeitung.

Nach ihren Worten habe sie bislang mehr als 100 Morddrohungen erhalten, die Sicherheitsbehörden nehmen diese Aufrufe sehr ernst. Denn ein derartiger Schutz wird sonst nur besonders gefährdeten Spitzenpolitikern zuteil.

Zugleich wird die liberale Moschee zum Politikum. Wie Ates sagte, soll der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gegenüber der Bundesregierung auf eine Schließung der Moschee gedrungen haben. Das belege wieder einmal, „welchen Geistes Kind Erdogan ist, der die Demokratie nie verstanden hat beziehungsweise nie wollte“, so Ates. „Erdogan hält nichts von persönlichen Freiheiten.“ Erdogan soll die in Deutschland eine Vielzahl von Moscheen betreibende „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (Ditib), die von Ankara aus gesteuert wird, und die türkische Religionsbehörde Diyanet angewiesen haben, verstärkt gegen die liberale Moschee in Berlin vorzugehen. Sie sei ein Projekt des Predigers Fethullah Gülen, der aus Sicht Erdogans für den gescheiterten Putschversuch in der Türkei vor einem Jahr verantwortlich ist, Ates bestreitet dagegen, in Verbindung zu Gülen zu stehen. Unter den Besuchern der Moschee herrscht nach den Worten von Ates eine große Angst, da sie von ihrem Umfeld eingeschüchtert und in die Nähe von Terroristen gerückt werden.

 
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