
In Deutschland grassiert das Immobilienfieber. Baugeld ist derzeit besonders günstig, das lässt den Immobilienmarkt heißlaufen. 2015 wechselten in Deutschland Wohnungen, Häuser und Grundstücke für 219 Milliarden Euro den Besitzer. Für 2016 rechnen Experten gar mit einer noch höheren Summe.
Leben wir schon in einer Immobilienblase? Das ist ein Wort, das durch die amerikanische Hauspreis-Krise und den Niedergang der spanischen (Immobilien-) Wirtschaft in den Jahren nach 2007 selbst gewaltig aufgebläht worden ist. Nicht jede Immobilienblase muss gleich eine ganze Volkswirtschaft in die Pleite treiben. Für eine Blase genügt es, dass die Erwartung steigender Preise die Preise steigen lässt. Wo also sind welche Kaufpreise noch gerechtfertigt?
Zuletzt hat Zentralbanker Andreas Dombret vor einer Blase am deutschen Immobilienmarkt gewarnt. Zwar würden die Banken weiterhin Immobilienkredite nach konservativen Kriterien vergeben, das Kreditvolumen sei zuletzt allerdings so stark gestiegen wie seit 13 Jahren nicht mehr. „Deshalb habe ich heute mehr Bedenken als in den vergangenen Jahren“, so Bundesbankvorstand Dombret gegenüber „Spiegel Online“. „Ich sehe erste Wolken am Horizont aufziehen.“
Der Immobilienverband Deutschland Süd (IVD) beziehungsweise sein Marktforschungsinstitut verzeichnete bei Immobilienumsätzen 2015 für Bayern zum sechsten Mal in Folge einen Rekordwert: Er liegt mit fast 45 Milliarden Euro mehr als zehn Prozent höher als 2014 und mehr als doppelt so hoch wie 1990.
Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, sieht kein Ende des Booms. Neben den niedrigen Zinsen nennt Kippes als Gründe den stabilen Arbeitsmarkt, eine hohe Zuwanderung sowie einen „Mangel an Anlagealternativen für konservative Anleger“. Natürlich geht der Boom mit Preissteigerungen einher. Dabei steigen die Kaufpreise „tendenziell“ stärker als die Mieten, sagt Kippes. Das ist auch in Unterfranken der Fall.
In Würzburg wie in Schweinfurt gibt es eine „deutlich gestiegene Nachfrage“ beziehungsweise einen „Nachfrageüberhang“, heißt es in den aktuellen „City-Reports“ der IVD-Marktforscher. Die Kaufpreise haben demnach binnen eines Jahres durchschnittlich zwischen zwei und fünfeinhalb Prozent angezogen. Das klingt nicht sehr beunruhigend.
Die Immobilien-Analytiker des Fachdienstes Empirica stellten bei einer bundesweiten Betrachtung allerdings fest, die inserierten Preise für Eigentumswohnungen hätten 2015 um 14,5 Prozent zugelegt. Preissteigerungen seien für Käufer wie Mieter schmerzhaft, sagt Kippes, eine Blase sieht er nicht. Die Banken würden Kredite nach „relativ konservativen Methoden“ vergeben, sagt der IVD-Experte. Er liegt insoweit auf einer Linie mit Bundesbanker Dombret.
In Deutschland gibt es auch kein Überangebot vergleichbar dem durch „gigantische Neubautätigkeit“ (Kippes) in Spanien zu Beginn des Jahrtausends ausgelösten. Einmal hat der hohe Flüchtlingszustrom den ohnehin hohen Bedarf an Wohnraum in den bayerischen Großstädten weiter verstärkt, erläutert Kippes. Zum anderen gebe es immer mehr Ein-Personen-Haushalte, gerade in den Städten, wo mittlerweile mehr als die Hälfte der Menschen allein lebe.
Kippes räumt allerdings ein: „Es wird zurzeit sehr viel Geld in den Markt gepumpt“. Und er sagt: „Da wird relativ teuer gekauft.“ Kippes sagt nicht „zu teuer“. Aber wenn man berücksichtigt, dass der Neubau von Wohnraum vor allem im oberen Preissegment stattfindet, dann kann man geneigt sein zu sagen, dass hier nicht nur Wohnraum verkauft wird, sondern gelegentlich auch heiße Luft. Was gewiss häufiger für München, Berlin, Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt zutrifft. Aber gelegentlich eben auch für Würzburg, Schweinfurt und die ganze Region.