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Immer skeptisch bleiben
An der Universität Würzburg wollen Skeptiker herausfinden, was hinter Pendel, Wünschelrute und Co. steckt. Wer ihnen beweist, dass er übersinnliche Fähigkeiten besitzt, bekommt 10 000 Euro.
Von unserem Redaktionsmitglied Julia Knetzger
 |  aktualisiert: 26.10.2012 17:36 Uhr

Es wird ernst. Der Tag der Entscheidung ist gekommen. Der Tag, der beweisen wird, ob Wolfgang Raschky übersinnliche Fähigkeiten besitzt oder nicht. Ob er etwas kann, was sonst vielleicht keiner zustande bringt, oder ob er sich maßlos selbst überschätzt.

Raschky sitzt im Frühstücksraum seines Würzburger Hotels. Vor ihm ein leer geputzter Teller, nur eine Tomatenscheibe liegt noch darauf. Seine blauen Augen wandern ruhig über den Tisch, seine Hand sucht etwas in der Hosentasche. Ein Pendel kommt zum Vorschein – ein silberfarbenes Kettchen, an dem ein blassvioletter Amethyst hängt. Der Halbedelstein ist zu einem mehrkantigen Kegel geschliffen und an der Spitze abgebrochen. Das Wunderinstrument, mit dem es Raschky heute schaffen will.

Der Gärtner aus Bruck an der Mur in Österreich ist angereist, um einen besonderen Jackpot zu knacken. Aus dem Fernsehen hat er mitbekommen, dass derjenige 10 000 Euro auf die Hand bekommt, der in einem zweistufigen Test-Marathon an der Universität Würzburg beweisen kann, dass er paranormale Fähigkeiten besitzt. Raschky will das hinkriegen. Er weiß schließlich, was er kann.

Raschky meint, die Gabe zu haben, Bio-Essen von Essen aus herkömmlicher Produktion zu unterscheiden. Und das nur mit seinem Amethyst-Pendel. Er muss den Apfel, den Rettich oder den Salatkopf dafür nicht in der Hand halten. Er muss ihn nicht schmecken, nicht riechen, nicht sehen. Das Pendel weiß die Antwort.

Raschky deutet mit dem Zeigefinger auf die Tomatenscheibe, die immer noch auf seinem Teller liegt. Der Paradeiser, wie er sagt, ist natürlich aus seinem Garten. Bio-Qualität, unverkennbar. Kleiner Test gefällig? Raschky grinst, er weiß schon, was dabei herauskommt. Der Gärtner hält das Pendel über den Paradeiser. Der Amethyst beginnt, rechts im Kreis herumzuwandern. Erst ganz zaghaft, dann mit voller Wucht, bis das ganze Pendel fast horizontal schwingt. Raschky freut sich. Was sich nach rechts dreht, ist Bio.

In Raschkys Theorie muss man nur zwei Wörter verstehen: rechts und links. Rechts ist gut, links ist schlecht. Kreist das Pendel zum Beispiel über einem Hühnerei rechtsherum, handelt es sich laut Raschky um das Ei einer Biohof-Henne – also eine, die unter freiem Himmel picken und scharren darf. Ganz eindeutig. Kreist das Pendel linksherum, muss eine Käfighenne oder Ähnliches im Spiel gewesen sein. Wieso, das ist zumindest für Raschky ganz klar. Die Biohof-Henne hat viel Licht, also viel positive Energie abbekommen, die Käfighenne nicht. Positiv ist rechts, negativ ist links. Soweit alles klar.

Eine Stunde später steht Raschky in Hemd und kurzen Hosen in einem Hörsaal des Biozentrums am Hubland. Auf ihn warten zwei sogenannte Skeptiker von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). Der eine ist Rainer Wolf, Physiker und habilitierter Biologe an der Uni Würzburg. Der andere Martin Mahner, hauptamtlicher Skeptiker aus Darmstadt.

Skeptiker sind Personen, die sich kritisch mit Parawissenschaften beschäftigen. Sie glauben nicht an Gedankenleser und Wünschelrutengänger, an Wunderheiler und Gläserrücker. Sie glauben daran, dass hinter vermeintlichem Hokuspokus letztendlich doch etwas wissenschaftlich Nachweisbares steckt. Und einige von ihnen, so auch Mahner und Wolf, sind bereit, Geld dafür herzugeben, wenn ihnen tatsächlich einmal jemand beweisen kann, dass er übersinnliche Fähigkeiten besitzt. Mit solchen Skeptikern will sich Wolfgang Raschky also anlegen. Er hegt keinen Zweifel daran, dass seine Gabe nicht echt sein könnte. Wieso auch? Schließlich sei das, was er da macht, ja nicht frei erfunden. Mit seinem Pendel setze er nur das um, was Forscher schon längst herausgefunden hätten. Der Österreicher hat keinen Zweifel.

Wer das Würzburger Preisgeld absahnt, der hat Glück. Er ist automatisch für die nächste Stufe im großen Spiel der weltweiten PSI-Tests qualifiziert. Am Ende wartet ein Gewinn von neuerdings bis zu einer Million Euro. Den Mega-Jackpot hat bisher aber noch keiner angerührt. Nicht nötig zu erwähnen, dass auch der Würzburger Geldtopf noch bis oben hin voll ist. Seit über sechs Jahren liegen die Scheine unberührt im Tresor. Raschky ist schon 70, aber er will es versuchen. Er will ran an den Jackpot.

Im Würzburger Hörsaal laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Helfer wuseln durch die Bankreihen, Formulare werden ausgefüllt, Test-Utensilien ausgepackt. In einer Art Hochsicherheitstest soll Raschky sein Können beweisen. Unter zehn Eiern, die unter je einer Pappschachtel stehen, muss er das eine Bio-Ei finden. Das Gleiche soll er mit gebeizten und ungebeizten Kürbiskernen tun. 13 Durchgänge sind es für beide Testreihen.

Damit Raschky nicht schummeln kann, wird der Test mit einem gewaltigen Aufwand durchgeführt: Drei Teams arbeiten abwechselnd im Hörsaal und seinen Nebenräumen, dürfen sich aber, solange der Test dauert, kein einziges Mal begegnen. Also stundenlang nicht. Das erste Team lost für jeden Durchgang aus, an welcher Stelle das Bio-Ei beziehungsweise das Päckchen mit den ungebeizten Kürbiskernen stehen soll und rückt alles an den rechten Fleck. Wenn es sich wieder in seine Kammer zurückgezogen hat, begleitet das zweite Team Raschky von einem Warteraum in den Hörsaal und beobachtet ihn beim Pendeln. Dann verschwindet es mit ihm wieder im Nebenraum. Zeit für das dritte Team, aus einem anderen Zimmer in den Hörsaal zu treten und die Nummer des Hütchens zu notieren, unter dem immer noch das Bio-Ei und die ungebeizten Körner liegen. Alles wird akribisch festgehalten. Welches Team wann an der Reihe ist, wird durch Klopfzeichen mit einem Gummihammer kommuniziert.

„Das mit dem Pendel hat sich sukzessive ergeben“, erzählt Raschky. Als ihm jemand einmal gezeigt hat, wie es geht, hat er gemerkt, dass er „für solche Sachen hoch sensibel“ ist. Seit sechs oder sieben Jahren experimentiert er mit dem Pendel. Aber hausieren geht er damit nicht. „Ich verkaufe nix, ich mach das für mich“, erklärt er.

Kurz vor dem Start blickt sich Raschky immer wieder nach links und rechts um. Neben den Helfern sind Medienleute aus ganz Deutschland angereist. Fernsehkameras und Mikrofone werden auf ihn gerichtet, ein Interview hier, eine Frage da. Es dauert ein bisschen, bis Raschky ruhiger wird. Probehalber pendelt er alles einmal durch. Dann beginnt der Ernst.

Die nächsten Stunden herrscht Stille im Hörsaal. Nur ein Ventilator rauscht. Raschky hält sein Pendel über eine Schachtel nach der anderen. Der Amethyst gibt ihm eindeutige Antworten. Dass es so leicht werden würde, hätte er nicht gedacht. „Ich würde mich freuen, wenn er es schafft“, sagt Wolf. „Wahrscheinlich geht es aber nicht.“ Raschky muss nur siebenmal pro Kategorie richtig liegen – für jemanden, der es wirklich kann, keine große Leistung. Bisher seien alle Versuchspersonen aber gescheitert. Hätten bei vergleichbaren Tests nur null bis zwei Treffer gelandet – dasselbe Ergebnis, wie wenn man einfach nur geraten hätte.

Schachtel um Schachtel kämpft sich Raschky vor. Immer häufiger atmet er schwer und hörbar aus. Dann die Stunde der Wahrheit. Mahner und Wolf gehen Zeile für Zeile alle Ergebnisse durch. Keinen einzigen Treffer beim Eiertest. „Pfühh!!“, entfährt es Raschky. Ein Treffer bei den Kürbiskernen. „Ich versteh' das gar nicht“, raunt er, nun sehr leise. Seine Augen sind auf einmal glasig und gerötet. Die Kameras und Mikrofone nehmen alles auf.

Wolf erklärt tröstend, dass das Pendel dort ausschlägt, wo man es unbewusst erwartet. Nicht das Pendel ziehe die Hand mit, sondern die Hand das Pendel. Raschky nickt. „Es tut mir leid“, spricht er in die Kameras. „Dass das so derart danebengeht, hätt' ich nicht gedacht.“ Aber sein Pendel wegwerfen? Nein, sagt er später draußen vor der Tür, das werde er nicht.

Zwei Monate später. Raschky ist längst wieder in Österreich. Sein Pendel gebe es immer noch, berichtet er. Für den eigenen Gebrauch im Garten benutzt er es weiter. „Es erweist mir gute Dienste.“

Wer sind die Skeptiker?

Hinter der Abkürzung GWUP steckt die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften. Sie will mit wissenschaftlichen Methoden Antworten auf all die Fragen finden, die am Rand oder außerhalb der anerkannten Wissenschaften liegen. Die Mitglieder der GWUP nennen sich Skeptiker. Rainer Wolf ist Physiker und habilitierter Biologe der Universität Würzburg, daneben Wahrnehmungsforscher und Hobbyzauberer. Seit 1999 ist er im Vorstand und im Wissenschaftsrat der GWUP. Er ist Ansprechpartner der Würzburger Skeptiker.

Martin Mahner ist der einzige hauptamtliche Skeptiker Deutschlands. Der Biologe und Wissenschaftsphilosoph beschäftigt sich mit sogenannten Pseudowissenschaften. Er ist Gründungsmitglied der GWUP, bei der er als Leiter des Zentrums für Wissenschaft und kritisches Denken arbeitet. Nach Würzburg kommt er jedes Jahr zu den PSI-Tests.

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