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BERLIN/WÜRZBURG
Immer mehr Rentner arbeiten
Arbeit im Alter: Der 66-jährige Rudolf Siebke arbeitet im brandenburgischen Fürstenwalde bei einem Reifenhersteller, weil er will. Viele Altersgenossen brauchen einen Minijob zusätzlich zur Rente aber, um über die Runden zu kommen.
Foto: dpa | Arbeit im Alter: Der 66-jährige Rudolf Siebke arbeitet im brandenburgischen Fürstenwalde bei einem Reifenhersteller, weil er will.
Redaktion
 |  aktualisiert: 28.08.2012 20:02 Uhr

(cj/dpa/kna) In Deutschland wollen oder müssen immer mehr ältere Menschen arbeiten. Ende 2011 gingen mehr als 761 000 Menschen über 65 Jahren einer geringfügigen Beschäftigung nach, rund 118 000 Minijobber waren sogar älter als 75. Das geht laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken hervor, die am Dienstag bekannt wurde.

Seit den Arbeitsmarktreformen von 2003, mit denen die Zahl der Minijobs ohnehin deutlich anstieg, war die Zahl noch nie so hoch. So gab es etwa Ende 2004 nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit lediglich rund 650 000 Minijobber, die 65 Jahre oder älter waren.

Geringer Anstieg in Würzburg

Im südlichen Unterfranken sei „ein geringfügiger Anstieg“ bemerkbar. Laut Wolfgang Albert von der Arbeitsagentur für Arbeit in Würzburg gab es Ende 2011 in den Landkreisen Kitzingen, Würzburg und Main-Spessart sowie im Stadtgebiet Würzburg 5642 Minijobber beziehungsweise geringfügig Beschäftigte über 65. „Ende 2010 waren das 5550.“ Die Zahlen der Arbeitsagentur für Arbeit in Schweinfurt liegen noch nicht vor, so die Auskunft des dortigen Sprechers Peter Schönfelder.

Die Linke, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Sozialverband VdK sehen im bundesweiten Anstieg ein Indiz für zunehmende Altersarmut. Viele Rentner könnten sich nur noch mit Minijobs finanziell über Wasser halten, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher. „Sie üben diese wenig attraktiven Jobs aus, um ihre karge Rente aufzubessern.“

In Unterfranken erlebt Hans-Peter Martin, Geschäftsführer des VdK-Kreisverbands Würzburg, immer öfter, dass Menschen nach Erhalt ihres Rentenbescheids sich fragen: „Wie soll ich denn davon leben?“ Viele würden sich einen Zusatzverdienst suchen, so Martin. „Das sind größtenteils ungelernte Tätigkeiten wie Regale auffüllen oder Zeitungen und Werbeprospekte austragen.“ Rentnerinnen versuchen laut Martin häufig, mit Babysitten über die Runden zu kommen.

Nach Ansicht des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ist materielle Not hingegen nicht das Hauptmotiv, weil unter den arbeitenden Senioren auch viele Hochqualifizierte seien. „Viele wollen arbeiten, weil sie sich noch fit fühlen“, sagte der IW-Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer der „Süddeutschen Zeitung“.

Der Hamburger Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski hält die steigende Erwerbstätigkeit älterer Menschen in Deutschland für eine ganz natürliche Entwicklung. „Der Mensch kann auf Dauer nicht untätig in seinen vier Wänden verweilen, er ist auf Leistung programmiert bis ins hohe Alter.“

1000 Euro Durchschnittsrente

Für den VdK-Kreisvorsitzenden Martin ist es dagegen eher die Ausnahme, wenn jemand zu ihm kommt und freiwillig weiter arbeiten möchte. Für die meisten sei es ein Muss. „Die Durchschnittsrente nach 45 Beschäftigungsjahren liegt bei den Männern in Bayern bei nicht einmal 1000 Euro“, rechnet Hans-Peter Martin vor, „das will in der Politik niemand sehen.“ Ebenso, dass kaum jemand die Kriterien für die von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgeschlagenen Zuschussrente erfüllen würde.

Das Bundesarbeitsministerium wies darauf hin, dass zu der Gruppe der über-64-Jährigen nicht nur Rentner gehörten, sondern auch weiter aktive Selbstständige und Freiberufler. Zudem sei in den vergangenen Jahren die Zahl der älteren Menschen deutlich gestiegen. Der Zuwachs bei den betagten Minijobbern bewege sich im Vergleich dazu in „sehr überschaubaren Dimensionen“.

• Das Thema Seite 6

Hinzuverdienstgrenzen

Frührentner müssen Hinzuverdienstgrenzen beachten, wenn sie im Ruhestand arbeiten. Überschreiten sie diese, kann ihre Rente gekürzt werden. Wer vor der gesetzlichen Altersgrenze in Rente geht, muss eine generelle Grenze von 400 Euro brutto im Monat beachten. Bei einem höheren Verdienst wird die Rente nur noch anteilig gezahlt. Unter Umständen entfällt sie sogar ganz. Zweimal im Jahr dürfen Rentner die Grenze bis zum doppelten Wert überschreiten: In zwei Monaten sind also Einkünfte bis zu 800 Euro zulässig. Wer mehr Geld abzugsfrei hinzuverdienen möchte, kann eine Teilrente beantragen. Gewährt wird diese als Zwei-Drittel-Teilrente, als Ein-Halb-Teilrente oder als Ein-Drittel-Teilrente. Die Hinzuverdienstgrenzen werden hierbei individuell berechnet. Wer die Regelaltersgrenze von mindestens 65 Jahren erreicht hat, kann unbegrenzt Geld hinzuverdienen, ohne dass er weniger Rente bekommt. Allerdings haben die Einkünfte unter Umständen Einfluss auf die Höhe einer Hinterbliebenenrente und der Krankenversicherungsbeiträge. Außerdem müssen die zusätzlichen Einkünfte versteuert werden. TEXT: DPA

 
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