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ATHEN
Im Land der Arbeitslosen und Rentner
reda
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:58 Uhr

Es schien auf den ersten Blick eine gute Nachricht zu sein: Im August sei die Arbeitslosenquote in Griechenland auf 24,6 Prozent zurückgegangen, von 24,9 Prozent im Vormonat, meldete jetzt die staatliche Statistikbehörde Elstat. Aber der Trend dürfte sich schon bald wieder umkehren. Der ohnehin nur leichte Rückgang war vor allem dem Boom im Tourismus geschuldet. Wie das griechische Arbeitsministerium inzwischen meldete, ging die Zahl der Beschäftigten im Oktober um fast 56 500 zurück. Die EU-Kommission erwartet in ihrer jüngsten Herbstprognose für Griechenland im kommenden Jahr einen Anstieg der Arbeitslosenquote auf 25,8 Prozent.

Diese Zahlen unterstreichen einen besorgniserregenden Trend: Immer weniger Menschen in Griechenland haben ein eigenes Erwerbseinkommen, immer mehr leben von Zahlungen aus den Sozialhaushalten, wie Renten und Arbeitslosengeld, oder von Zuwendungen ihrer Familie. Im Rahmen des Sparkurses, den die griechische Regierung auf Weisung der internationalen Geldgeber steuern muss, stehen weitere Einschnitte bei den ohnehin seit Beginn der Krise bereits um durchschnittlich ein Viertel gekürzten Renten bevor. Savvas Robolis, ehemaliger Professor für Volkswirtschaft an der Athener Panteios-Universität, sieht große Teile der griechischen Bevölkerung bereits in einer „unentrinnbaren Armutsspirale“.

Die Zahlen sind alarmierend: Von den 10,9 Millionen Griechen sind knapp 4,8 Millionen im erwerbsfähigen Alter von 15 bis 65 Jahren. Erwerbstätig sind aber nur 3,6 Millionen. Die Zahl der Arbeitslosen beläuft sich auf knapp 1,2 Millionen, die der Rentner und Pensionäre auf annähernd 2,7 Millionen. Unter dem Strich haben also von den knapp elf Millionen Einwohnern des Landes 7,3 Millionen kein eigenes Erwerbseinkommen. Griechenland wird zu einem Land der Arbeitslosen und der Rentner.

Kritische Situation

Nach Angaben der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Griechenland eine Beschäftigungsquote von nur 49,6 Prozent. Schlechter schneiden unter den 34 OECD-Staaten nur die Türkei mit 49,4 und Südafrika mit 42,6 Prozent ab. Zum Vergleich: Im EU-Durchschnitt beträgt die Quote 64,9 Prozent, in Deutschland sogar 74, in der Schweiz 79,7.

Die tatsächliche Situation in Griechenland ist aber noch weitaus kritischer, als es diese Statistik ahnen lässt. Sechs von zehn Rentenempfängern bekommen weniger als 1000 Euro brutto im Monat. Die durchschnittliche Bruttorente beträgt 947 Euro. Und 45 Prozent der Rentner haben Nettobezüge, die unter der offiziell ermittelten Armutsgrenze von 665 Euro im Monat liegen.

In rund 350 000 griechischen Familien gibt es überhaupt kein erwerbstätiges Mitglied. Das Arbeitslosengeld, 360 Euro für einen Ledigen oder bis zu 576 Euro für eine sechsköpfige Familie, wird in Griechenland maximal zwölf Monate gezahlt. Danach ist der Arbeitslose auf sich selbst, seine Familie oder Freunde gestellt. Eine Sozialhilfe oder Grundsicherung wie Hartz IV gibt es nicht. Das führt dazu, dass neun von zehn Arbeitslosen keinerlei staatliche Unterstützung erhalten.

Doch auch wer Arbeit hat, muss sich meist einschränken. Seit Beginn der Rezession 2009 sind die Realeinkommen um etwa ein Viertel gesunken. Der durchschnittliche Nettolohn in Griechenland beträgt 815 Euro. Eine halbe Million Menschen, die in Teilzeitverhältnissen arbeiten, müssen im Schnitt sogar mit nur 346 Euro im Monat auskommen.

Unter diesen Bedingungen könne Griechenland weder auf ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum hoffen noch auf eine Nachhaltigkeit in den Sozialsystemen, sagt der Ökonom Savvas Robolis.

 
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