Früher galt Erhard Eppler in seiner Partei als Unruhestifter. Doch manches von dem, was der Vordenker sagte, bewahrheitete sich später. Heute hört die SPD dem 90-Jährigen zu. In Stuttgart hat sie gerade Epplers Geburtstag gefeiert.
Erhard Eppler: Ich lese zwei Tageszeitungen, sehe mir Sendungen im Fernsehen an. Dann informiere ich mich in politischen Zeitschriften und habe Gesprächspartner in Berlin und Stuttgart. An Informationen fehlt es nicht.
Eppler: Ich glaube, dass ich die Wertschätzung der SPD-Vorsitzenden immer hatte. Ein besonders inniges Verhältnis hatte ich zu Willy Brandt. Erst später wurde mir klar, dass er mir sehr viel Spielraum gelassen hat. Er hat die Hand über mich gehalten, ohne dass ich davon viel erfahren habe. Zum Beispiel bei meinen Versuchen, die Partei ökologisch zu reformieren. Auch in der Debatte um die Raketennachrüstung hatte ich die Zustimmung des Vorsitzenden.
Eppler: Ja. Und seine Anhänger. Er hatte auch in Baden-Württemberg seine Fans. Das nehme ich aber niemandem übel.
Eppler: Ja, da ist etwas dran. Aber alt werden ist ja kein Verdienst.
Eppler: Es gibt Politiker, auch bedeutende, die mit dem Ausscheiden aus ihren Ämtern die Politik abschalten. Wahrscheinlich, weil sie genug davon haben und ihr Leben ohne Politik genießen wollen. Dafür habe ich großes Verständnis. Es gibt aber auch Politiker, die die Politik nie loslässt. An diesem Punkt war ich Helmut Schmidt sehr nahe. Bei mir hat sich das so ergeben, weil ich weniger durch administrative, sondern mehr durch gedankliche Anstöße Politik gemacht habe. Ich habe 1982 das Landtagsmandat in Baden-Württemberg als letztes Amt abgegeben und bin 1989 aus dem SPD-Präsidium zurückgetreten. Seither mache ich Politik gewissermaßen als freischaffender Künstler.
Eppler: In der SPD ist man bereit, mir zuzuhören, wenn ich mich mit der notwendigen Bescheidenheit zu Wort melde.
Eppler: Nach den Umfragen hätte Martin Schulz die besten Aussichten. Ob die am Ende durchschlagen, weiß man nicht. Mir ist vor allem wichtig, dass Sigmar Gabriel als Parteivorsitzender nicht verheizt wird.
Eppler: Ich sehe zumindest eine gewisse Klarheit, wie man mit der AfD nicht umgehen sollte. Ein Wahlkampf der SPD gegen die AfD wäre falsch. Man jubelt die dadurch hoch. Ich könnte mir vorstellen, dass scharfe Kontroversen zwischen SPD und CDU um die Renten- und Steuerpolitik nicht schädlich wären. Denn die AfD tut ja so, als wäre das alles ein Brei bei den anderen Parteien. Man sollte die unterschiedlichen Standpunkte klarmachen und die wirklich wichtigen Punkte. Es kann kein Wahlkampf nur um die Frage sein, wie viele Flüchtlinge wir aufnehmen. Das wäre fatal.
Eppler: Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen diese Gesellschaft als kalt empfinden. Das hat mit der Dominanz der Marktradikalen zu tun. Zweitens gibt es viele Fragen, auf die die Politik keine ganz leichten Antworten geben kann, zum Beispiel bei der Rente. Insgesamt hat sich der Blick auf die Zukunft verändert. Noch in den 70er Jahren haben die meisten Eltern darüber nachgedacht, wie es ihre Kinder besser haben können als sie selbst. Heute denken sie allenfalls darüber nach, wie es ihre Kinder nicht schlechter haben. Das ist nicht die Schuld der Politiker. Aber es wird schwieriger, ein Vertrauen aufzubauen, das in die Zukunft reicht.
Eppler: Sie hat zu wenig dagegen getan. Vielleicht konnte sie auch nicht viel mehr tun. Aber ich glaube, dass unsere Gesellschaft heute weiter ist.
Eppler: Die Volksparteien haben nicht genug gemacht, um dieses Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern. Da liegt eine große Verantwortung bei Union und SPD.
Eppler: Wir haben im Augenblick in Deutschland keine wirklich überragenden Figuren. Nicht in der SPD. Und in der Union werden die Grenzen der Frau Merkel deutlich, wenn es darum geht, eine Gesellschaft zusammenzuhalten. Für eine Gesellschaft ohne einen Willy Brandt oder einen Konrad Adenauer werden die Programme wichtiger.
Eppler: Die entscheidende Weichenstellung meiner politischen Karriere war der Rücktritt als Minister. Da wusste ich, dass ich keine Chance mehr hatte. Das bereue ich nicht. Auf die 65 Jahre, in denen ich Politik gemacht habe, blicke ich trotzdem mit einer gewissen Dankbarkeit zurück, nicht mit Groll. Ich habe nicht alles vergeblich versucht.