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LONDON
Hunderttausende demonstrieren gegen Brexit
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October 20 2018 London London UK London UK Thousands of protesters gather in Parliament Sq       -  Etwa 670 000 Menschen haben nach Veranstalterangaben in London gegen den Brexit demonstriert.
Foto: Rob Pinney, imago | Etwa 670 000 Menschen haben nach Veranstalterangaben in London gegen den Brexit demonstriert.
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 |  aktualisiert: 02.04.2019 12:48 Uhr

Am Mittag herrschte Stillstand in Londons sonst so geschäftigem Zentrum. Massen von Menschen strömten aus allen Richtungen herbei, füllten die Straßen rund um den Hyde Park über den berühmten Trafalgar Square bis zum Parlament in Westminster, ganz so als wäre ein Damm gebrochen. Sie hielten Plakate in den wolkenlosen blauen Himmel, auf denen die Aktivisten „eine Stimme für unsere Zukunft“ forderten, „das völlige Chaos der Regierung“ anprangerten oder britische Politiker wie Ex-Außenminister Boris Johnson als „Lügner“ kritisierten. Begleitet von Trompetenmusik und Trillerpfeifen schwenkten sie EU-Flaggen und den Union Jack – vereint im Wunsch, vereint zu bleiben.

Größte Demo seit dem Irakkrieg

Rund 670 000 Menschen, so die Angaben der Organisatoren, protestierten bunt, laut und friedlich gegen den Brexit. Die Kampagne „People?s Vote“ (Volksabstimmung) will ein erneutes Referendum zum EU-Austritt durchsetzen und hatte zu dem Marsch aufgerufen. Am Ende kamen weitaus mehr als erwartet. Es sollte die größte Demonstration in der Metropole seit jener gegen den Irakkrieg im Jahr 2003 werden.

Briten und EU-Bürger aus allen Ecken des Königreichs sowie vom Kontinent waren teils mit Sonderbussen angereist, um bei diesem „historischen Moment“ dabei zu sein, wie Londons Bürgermeister Sadiq Khan es nannte. „Was könnte demokratischer und britischer sein, als dem Urteil des Volks zu vertrauen?“ Die Brexit-Anhänger kontern regelmäßig, man hätte die Bevölkerung im Juni 2016 gefragt und 52 Prozent der Wähler hätten sich für den Austritt entschieden.

Nun gelte es, den Willen zu respektieren und die Scheidung umzusetzen, betonte auch Premierministerin Theresa May vor wenigen Tagen. Aber wie? Die Verhandlungen mit Brüssel stocken und die Wahrscheinlichkeit, dass das Königreich ohne Austrittsabkommen die EU verlässt, steigt mit jeder Woche. „Ein chaotischer Brexit wäre wirtschaftlich eine absolute Katastrophe“, schimpft die 39-jährige Anna, die am Samstag zum ersten Mal in ihrem Leben mit EU-Baskenmütze auf dem Kopf auf die Straße ging. Außerdem fürchtet sich die Medizinerin davor, dass weitere Pfleger und Ärzte abwandern und das Gesundheitssystem dann kollabieren könnte. „Schauen Sie sich das Durcheinander doch an. Wir sind zur Lachnummer Europas verkommen.“ Werden die beeindruckenden Bilder des Protests vom Wochenende auch die in ihrer eigenen konservativen Partei massiv unter Druck stehende Regierungschefin May beeindrucken? Sie lehnt eine erneute Befragung der Bevölkerung kategorisch ab.

Die europafreundliche Kampagne, die von unterschiedlichen Organisationen, Prominenten sowie mehreren Abgeordneten aus den großen Parteien unterstützt wird, möchte derweil das Recht durchsetzen, über das noch von London und Brüssel auszuhandelnde finale Abkommen abzustimmen. Und zudem die Möglichkeit erhalten, für Großbritanniens Verbleib in der Gemeinschaft zu votieren. Die Zeit wird knapp. Am 29. März 2019 verlässt das in der Europafrage tief gespaltene Königreich offiziell die EU.

„Zu spät aufgewacht“

Ein wenig erinnerte die Großdemonstration an ein Festival, auch weil sich etliche Familien sowie junge Menschen, die an der Spitze marschierten, in den Zug gemischt hatten. „Wir wurden getäuscht und man hat die ganze Sache als einfache Angelegenheit verkauft“, sagt der 19-jährige Tom, der beim jüngsten Referendum nicht alt genug für den Urnengang war. Etliche Briten hätten für den Austritt gestimmt, weil sie den falschen Versprechen der Brexiters geglaubt haben. Erst jetzt würde man realisieren, welche Kosten und Nachteile dieser Schritt verursache. Gleichwohl gab der Student zu, dass „leider“ viele Junge beim Referendum vor gut zwei Jahren nicht gewählt haben. Das Land sei zu spät aufgewacht. „Aber wir geben nicht auf, es geht um unsere Zukunft.“

 
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