In der Türkei gibt es nach mehr als zwei Monaten heftiger Gefechte zwischen den Sicherheitskräften und den PKK-Rebellen neue Hoffnung auf ein Ende der Gewalt. Die PKK will nach Andeutungen aus der Führung der Rebellen und nach Medienberichten an diesem Sonntag eine neue Waffenruhe verkünden. Damit soll die Kurdenpartei HDP bei der Parlamentswahl am 1. November unterstützt werden. Ob sich aus der Feuerpause eine Rückkehr zum Friedensprozess entwickelt, ist unsicher. Die Regierung sieht in der Waffenruhe ein taktisches Manöver der PKK.
Mehrere hundert Menschen haben ihr Leben verloren, seit die PKK Ende Juli mit neuen Anschlägen auf Sicherheitskräfte begann und die Regierung darauf mit Luftangriffen auf PKK-Stellungen antwortete. PKK-Kämpfer brachten mit Straßensperren in Teilen Südostanatoliens den Überlandverkehr zum Erliegen und verwehrten der Polizei den Zugang zu ganzen Stadtvierteln. Sprengfallen der Rebellen töteten mehrere Dutzend Soldaten und Polizisten.
Mit den Kämpfen brach ein seit 2013 geltender Waffenstillstand zwischen Armee und PKK in sich zusammen; die Friedensverhandlungen zwischen dem Staat und dem Rebellenchef Abdullah Öcalan wurden auf Eis gelegt. Kritiker werfen Präsident Recep Tayyip Erdogan vor, die Spannungen bewusst geschürt zu haben, um nationalistische türkische Wähler vor der November-Wahl für seine Regierungspartei AKP zu gewinnen.
Die Gewalt erhöht zudem den Druck auf die Kurdenpartei HDP, die um den Wiedereinzug ins Parlament kämpft. Mehrmals appellierte HDP-Chef Selahattin Demirtas an die PKK, das Feuer einzustellen. Seine Partei wolle die Kurdenfrage friedlich lösen, sagte er Demirtas vor einigen Tagen: „Wer die Gewalt will, soll uns nicht wählen.“
Lange ignorierte die PKK die Appelle, doch nun hat bei den Rebellen offenbar ein Umdenken begonnen. Cemil Bayik, einer der obersten PKK-Kommandanten, sagte der Nachrichtenagentur AFP, die PKK sei zu einer sofortigen Waffenruhe bereit. Die Kurdenrebellen wollten der legalen Partei HDP helfen. Nach Informationen des Journalisten Celal Baslangic soll die Waffenruhe an diesem Sonntag ausgerufen werden, am kommenden Donnerstag in Kraft treten und zumindest bis zum Wahlabend am 1. November gelten.
Erdogan lässt sich Hintertür offen
Falls die PKK tatsächlich die Waffen schweigen lässt, stellt sich die Frage, wie der Staat reagiert. Erdogan hatte kürzlich betont, er habe nie behauptet, dass der Friedensprozess unwiederbringlich gescheitert sei. „Ich habe gesagt, dass er im Kühlschrank steckt“, sagte der Präsident. Wenn alles gut laufe, könnten die Verhandlungen neu belebt werden. Mit diesem Hinweis öffnete Erdogan sich ein Hintertürchen, das ihm eine Abkehr von der harten Haltung gegenüber der PKK ermöglicht. Der Waffenstillstand von 2013, der die Hoffnung auf ein Ende des Krieges genährt hatte, war ein Ergebnis der Verhandlungen zwischen dem türkischen Geheimdienst und PKK-Chef Öcalan.
Von neuen Friedensgesprächen sind Ankara und die PKK allerdings noch weit entfernt. Der in der Regierung für den Friedensprozess zuständige Vizepremier Yalcin Akdogan erklärte, die PKK betreibe lediglich Wahlhilfe für die HDP. Die Kurdenrebellen hätten schon häufiger einseitige Waffenruhen verkündet, wenn sie militärisch in der Defensive gewesen seien oder wenn es ihnen politisch in den Kram gepasst habe. „Das haben wir so satt“, sagte Akdogan.