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ROM
Hören auf den Heiligen Geist
Das Konklave hat begonnen: Die Papstwahl soll ein spirituelles Ereignis sein, es gibt aber auch Meinungsverschiedenheiten
Gottesdienst vor dem Konklave: Die Kardinäle feierten im Petersdom eine Messe. Danach begaben sie sich in die Sixtinische Kapelle.
Foto: AFP | Gottesdienst vor dem Konklave: Die Kardinäle feierten im Petersdom eine Messe. Danach begaben sie sich in die Sixtinische Kapelle.
Von unserem Korrespondenten Julius Müller-Meiningen
 |  aktualisiert: 07.11.2019 18:19 Uhr

Die Tür zum Jüngsten Gericht steht offen. Ganz hinten an der Kopfwand der Sixtinischen Kapelle ist Michelangelos berühmtes Fresko zu erspähen. Jetzt ziehen sie, einer nach dem anderen, in einer weiten Linkskurve in Richtung dieses Gemäldes vom Ende der Menschheit. Die Prozession geht langsam von der Paolinischen Kapelle im Apostolischen Palast über die Sala Regia in die Sixtina. Die 115 Kardinäle tragen ihre roten Liturgie-Gewänder. Sie singen, sehen konzentriert und mancher von ihnen gar ein wenig eingeschüchtert aus. „Veni Creator Spiritus“, lautet ihr Lied, als sie ihre Plätze eingenommen haben, „Komm, Schöpfer Geist“. Vor dem Schwur, den jeder Kardinal einzeln im Angesicht des Jüngsten Gerichts abgibt, hebt Angelo Scola aus der zweiten Reihe links noch einmal den Kopf und sieht sich das Fresko an. Vielleicht wird der Erzbischof von Mailand hier ja zum Papst gewählt.

Am Vormittag haben sich die Kardinäle noch einmal die Hände geschüttelt. Zum Zeichen des Friedens während der Vormittags-Messe im Petersdom. Viele lächeln dabei beseelt, es sieht alles sehr harmonisch aus. „Die Liebe“ müsse die vornehmliche Eigenschaft der Pastoren sein, hat Kardinaldekan Angelo Sodano ja auch bei seiner Predigt gemahnt. „Die Liebe, die uns dazu bringt, unser Leben für die Brüder zu opfern.“ Selbstlose Brüder, das sollen fortan auch die 115 Kardinäle sein. „So viel Ehrlichkeit, Klarheit, Weite, Wohlwollen und Zuversicht“ habe er selten unter Seinesgleichen erlebt, berichtete der Wiener Kardinal Christoph Schönborn über die Atmosphäre vor dem Konklave.

Doch niemand kann leugnen, dass auch Meinungsverschiedenheiten mit in die Sixtinische Kapelle einziehen. Einige Spaltungen, die selbst der emeritierte Papst Benedikt XVI. deutlich angesprochen hatte, sind kaum zu verstecken. Sie werden sich in der Wahl widerspiegeln, da sind sich die Beobachter einig. Auf der einen Seite stehen die Anhänger von Camerlengo Tarcisio Bertone, der selbst keine Chancen hat, aber einen der Kurie nahestehenden Kandidaten durchbringen will, offenbar ist das der deutschstämmige Brasilianer Odilo Pedro Scherer.

Doch wie man hört, hat dieser sich bei den letzten Beratungsgesprächen mit einer Rede zur Verteidigung der umstrittenen Vatikanbank bei vielen diskreditiert. Oder ist man, indem man solche Details weiterverbreitet, bereits selbst Teil eines Spiels?

Die italienische Presse ist sich sicher, dass Scherers wichtigster Gegenspieler, der Mailänder Angelo Scola, im Konklave durchstartet. „Scola hat schon 50 Stimmen“, schrieb der „Corriere della Sera“. Zur erforderlichen Zweidrittelmehrheit von 77 Stimmen wäre es da nicht mehr weit. Aber da ist wohl auch der Wunsch Vater des Gedankens. Die insgesamt etwas desillusionierten Italiener hoffen nach zwei Ausländern endlich wieder auf einen Papst aus dem eigenen Land.

Konklaven haben ihre eigene Dynamik. Und vielleicht behält ja auch diesmal der römische Volksmund recht, der behauptet: „Wer ins Konklave als Papst geht, kommt als Kardinal wieder heraus.“ So war es etwa beim zweiten Konklave 1978, als die Anhänger der hoch gehandelten Kardinäle Giuseppe Siri und Giovanni Benelli sich gegenseitig blockierten. Keiner der beiden Kandidaten konnte im Fortlauf die Stimmen des anderen gewinnen, die Folge war ein Umschwenken auf einen absoluten Außenseiter. Der Pole Karol Wojtyla wurde wenig später als Johannes Paul II. bekannt. Auch seinen Vorgänger Albino Luciani, der als Johannes Paul I. nach nur 33 Tagen als Papst gestorben war, hatten die wenigsten auf dem Zettel gehabt.

Natürlich gibt es den Mitläufer-Effekt auch unter Kirchenmenschen. Viele im aktuellen Kollegium waren zu Beginn des Konklaves nicht auf einen Kandidaten festgelegt. Wenn nun einer der Favoriten schnell viele Stimmen hinter sich bringt, könnten nicht wenige auf den Sieger-Zug aufspringen. Sonst müssen sie möglicherweise damit leben, dem Papst ihre Stimme versagt zu haben. „Wir sind alle dazu aufgerufen, mit dem Nachfolger Petri zu kooperieren“, sagte Sodano vielsagend in seiner Predigt. Obwohl es sich um ein spirituelles Ereignis handeln soll, wie viele Teilnehmer immer wieder betont haben, gelten im Konklave auch die Regeln ganz normalen Wettbewerbs.

Der kanadische Kardinal Thomas Christopher Collins jedenfalls hat zur Sicherheit noch einmal den größten Hunger gestillt. In einem der klerikalen Szene-Treffs im Borgo Pio, dem Ristorante Venerina, bestellte er kurz vor dem Konklave einen großen Teller Spaghetti Carbonara. „Wenn wir nach dem dritten Tag noch keinen Papst gewählt haben, setzen sie uns auf Wasser und Brot“, scherzte der Kardinal.

Collins bezog sich damit auch auf die Wahl von Gregor X. (1271-1276) in Viterbo, die dreieinhalb Jahre dauerte. Irgendwann schlossen die Bewohner der Stadt in Latium die Kardinäle ein, trugen das Dach des Gebäudes ab und setzten ihnen die kargen Grundnahrungsmittel vor, die auch Kardinal Collins fürchtet. Kardinal Timothy Dolan aus New York hat sich ein paar Bonbons ins Konklave mitgenommen.

Damit Misslichkeiten und der verheerende Eindruck einer zerstrittenen Kirche in Zukunft verhindert würden, institutionalisierte Gregor X. das Konklave. Er bestimmte, dass die Kardinäle fortan „cum clave“, also „mit dem Schlüssel“ eingesperrt würden. Hatten sie nach acht Tagen noch keinen Papst gewählt, wurden sie auf Wasser und Brot gesetzt. Die Geschichte der Papstwahl ist bewegt. Beim Konklave 1623 in Rom war es so heiß, dass acht Kardinäle und etwa vierzig Assistenten an Malaria starben. Im Jahr 366 war es gar zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen, als bezahlte Meuchler die Kandidaten der Gegenseite aus dem Weg räumten.

Das letzte Konklave, das länger als vier Tage dauerte, fand 1831 statt. 45 Tage harrten die Kardinäle aus, dann wurde Bartolomeo Alberto Cappellari zu Gregor XVI. gewählt Im 20. Jahrhundert ging es immer recht schnell. Joseph Ratzinger wurde 2005 schon im vierten Wahlgang gewählt.

Benedikt und das Konklave

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. beobachtet die Wahl seines Nachfolgers aus der Ferne. Joseph Ratzinger will das Konklave nach Angaben von Vatikan-Sprecher Federico Lombardi von der Sommerresidenz Castel Gandolfo aus im Gebet begleiten. „Er ist mit uns, ruhig aber zutiefst verbunden und ganz bewusst mit uns allen im Gebet“, sagte Lombardi. Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein hält ihn über die Geschehnisse im Vatikan auf dem Laufenden. Auch die Versammlungen der Kardinäle zur Vorbereitung auf das Konklave in der vergangenen Woche hat Benedikt aufmerksam verfolgt. „Er ist grundsätzlich informiert, er verfolgt das im Fernsehen“, sagte Lombardi. Die Details der Gespräche zwischen den Kardinälen kenne Ratzinger jedoch nicht. FOTO: dpa

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