Am Ende seiner Mission wird es für den deutschen Astronauten Alexander Gerst am kommenden Montag wohl rasend schnell gehen. Nach dem Abkoppeln von der Internationalen Raumstation ISS soll die Sojus-Kapsel zunächst ungebremst zur Erde fallen, Luftreibung erhitzt die Schutzschicht dabei auf 1000 Grad Celsius. Massive Kräfte drücken Gerst und zwei weitere Rückkehrer in die Sitze, bis Fallschirme den Sturz abstoppen. Etwa vier Stunden nach dem Abdocken in rund 400 Kilometer Höhe soll die Sojus dann in Kasachstan landen. Am Abend wird Gerst schon in Köln erwartet.
Die Rückkehr in der schwer zu manövrierenden Kapsel gilt technisch als extrem anspruchsvoll – auch, weil es in der Sojus „so eng ist wie zu dritt in einer Telefonzelle“, sagt der Astronaut Thomas Reiter. Er denkt mit Grauen an seine Heimreise 1996 zurück. Einen „Höllenritt durch die Atmosphäre“ habe er damals erlebt, meint Reiter. Er spricht von „einem der schwierigsten Manöver in der bemannten Raumfahrt“.
Auch diesmal werde die Landung in der baumlosen Weite Zentralasiens nicht ungefährlich, warnt die Flugleitzentrale bei Moskau. Demnach wehen über der mit Raureif bedeckten Steppe derzeit tückische Herbstwinde. Immer wieder haben Gerst und seine beiden Kollegen, der Russe Maxim Surajew und der Amerikaner Reid Wiseman, das schwierige Landemanöver in den vergangenen Jahren geübt. Für den Geophysiker ist es der vorläufige Schlusspunkt einer 166-tägigen Reise durchs All.
Auf der Erde wird es für ihn noch einige Monate lang weitergehen: Ärzte untersuchen zunächst, wie sich die mehr als 2500 Erdumrundungen auf den Körper des Raumfahrers ausgewirkt haben. Die Erkenntnisse sollen auch Aufschluss darüber geben, wie Menschen sich auf einen möglichen Mars-Flug vorbereiten müssen. Und obwohl Gerst als topfit gilt, ist eine intensive Erholungskur vorgesehen: Muskeln bilden sich in der Schwerelosigkeit zurück, die Wirbelsäule streckt sich.
Doch was außer Blutwerten und Knochentests bleibt noch von der etwa 80 Millionen Euro teuren Mission? Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Europäische Raumfahrtagentur (Esa) verweisen vor allem auf etwa 100 Experimente an Bord des fliegenden Labors. Viele wissenschaftliche Erkenntnisse würden den Alltag auf unserem Planeten verbessern, meint DLR-Chef Jan Wörner. „Fernsehen, Kommunikation, Wettervorhersage“, sagt er. Gerst sieht noch einen weiteren Sinn: „Der Blick aus dem All hilft, die Verwundbarkeit unserer Heimat zu verstehen. Die Erde ist nur eine kleine Kugel aus Stein mit einer hauchdünnen Atmosphäre.“
Als erster Deutscher seit sechs Jahren verließ er die ISS zu sechsstündigen Arbeiten. Für ihn war das die „mit Abstand eindrucksvollste Erfahrung meines Lebens“. Gerst war der elfte Deutsche im Weltraum. Keiner seiner Vorgänger ließ die Menschen auf der Erde so an seiner Mission teilhaben. Fast täglich verbreitete Deutschlands Mann im All seine Eindrücke per Twitter: Fotos von Städten, dem Leben auf der ISS oder Gedanken. „In mondlosen Nächten kommt es mir manchmal so vor, als hinge die Erde wie eine monströse schwarze Kugel über mir“, heißt es dort etwa.
Packen muss Gerst nicht mehr. Seine Ausrüstung schwebte vor wenigen Tagen mit einem US-Raumtransporter zur Erde. Nun folgt der Astronaut. Von Kasachstan fliegt Gerst zunächst nach Schottland, wo er von DLR-Chef Wörner in Empfang genommen und nach Köln begleitet wird. Gerst freut sich auf Normalität, etwa auf eine Pizza und einen Lauf im Wald. Wehmut verspürt er trotzdem: Er werde vieles vermissen aus seiner Zeit in der Schwerelosigkeit – zum Beispiel Rückwärtssalto beim Zähneputzen.
Wann der nächste Deutsche ins All fliegt, wird auch vom Schicksal der Raumstation abhängen. Bisher gilt nur der Betrieb bis 2020 als gesichert.