Nicht einmal das dramatische letzte Vorrundenspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Südkorea konnte die Haushälter aller Fraktionen in ihrem Tatendrang stoppen. Obwohl es für Trainer Jogi Löw und seine Jungs im fernen Kasan um alles oder nichts ging, setzte der Haushaltsausschuss seine Beratungen ungerührt fort und bekam so nur am Rande das Ausscheiden des Nationalteams in Russland mit. Morgens gegen drei Uhr schließlich war es geschafft. Mit ihrer Mehrheit verabschiedeten CDU, CSU und SPD nach der sogenannten Bereinigungssitzung den Etat für das laufende Jahr, der nun vom Bundestag in der kommenden Woche, der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause, verabschiedet werden kann.
Das Volumen erhöht
Wichtigste Änderung im Vergleich zum Entwurf von Finanzminister Olaf Scholz (SPD): Da der Bund in diesem Jahr mit zusätzlichen Steuereinnahmen von rund 2,3 Milliarden Euro rechnen kann und die Konjunktur weiter kräftig wachsen wird, erhöhten die Koalitionäre das Volumen um 2,6 Milliarden Euro auf 343,6 Milliarden Euro, das ist eine Steigerung von 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Ein noch stärkeres Plus gab es bei den Investitionen, sie steigen um 2,8 Milliarden auf 39,8 Milliarden Euro. Allerdings fließen davon allein 2,4 Milliarden Euro in einen noch zu errichtenden „Digitalfonds“, mit dem in den kommenden Jahren der Breitbandausbau und die digitale Infrastruktur in den Schulen finanziert werden sollen.
Die Oppositionsparteien kritisierten dieses Vorgehen allerdings heftig und sprachen von einem „Schattenhaushalt“, was Eckhardt Rehberg und Johannes Kahrs, die Haushaltsexperten von Union und SPD, entschieden zurückwiesen. Die Koalitionäre sprachen von einem „Haushalt der Vernunft“, der den soliden Kurs der letzten Jahre fortsetze und zum fünften Mal in Folge ohne neue Schulden auskomme. Zudem sinke die Schuldenquote auf rund 61 Prozent des Bruttoinlandprodukts und werde im kommenden Jahr zum ersten Mal seit langem unter die im Vertrag von Maastricht vorgegebene 60-Prozent-Marke fallen.
Nach dem Willen der Koalitionäre erhält Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen rund 43 Millionen Euro mehr für die verbesserte Ausstattung, Versorgung und Ausbildung der Soldaten, unter anderem für den Kauf von Nachtsichtbrillen, 35 Millionen fließen an die Deutsche Bahn, um das Mobilfunknetz entlang der Bahntrassen auszubauen, und rund 100 Millionen Euro stehen zusätzlich für den Kulturbereich zur Verfügung, unter anderem für ein neues Denkmalschutzprogramm mit 30 Millionen Euro. Und die Zuschüsse für den sozialen Wohnungsbau werden um 500 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden erhöht.
Mehr Mitarbeiter beim Bund
Bei den Sicherheitsbehörden des Bundes werden 7500 neue Stellen geschaffen, darunter 3075 bei der Bundespolizei und 525 beim BKA, der Zoll wird um 1400 Mitarbeiter aufgestockt, das in die Kritik geratene Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erhält weitere 1650 Stellen, zudem wird die Befristung von fast 4500 Stellen aufgehoben. SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs verwies darauf, dass es mit den neuen Stellen alleine nicht getan sei, so müsse sich der Bund auch „Gedanken über die Gehaltsstruktur“ seiner Mitarbeiter machen, um gegenüber der freien Wirtschaft konkurrenzfähig zu sein.
Die Oppositionsparteien kritisierten dagegen die Haushaltspolitik der Großen Koalition. Von einem „Haushalt ohne Zukunft“ sprach Sven-Christian Kindler von den Grünen. Union und SPD seien bereits nach 100 Tagen am Ende, es fehle der Willen zur Zusammenarbeit, jede Partei arbeite auf eigene Rechnung. Finanzminister Olaf Scholz scheue das Risiko und verwalte den Status quo von Wolfgang Schäuble einfach weiter. Er und seine Kollegin Gesine Lötzsch von der Linken bemängelten, dass zwar der Wehretat steige, während das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium, „die für eine friedliche Konfliktlösung stehen“, im gleichen Zeitraum weniger Geld zur Verfügung hätten.
Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke warf Union und SPD vor, auf „immer mehr Staat“ zu setzen, ihnen fehle der Mut, „nur eine einzige Subvention zu streichen“. Stattdessen werde mit dem Baukindergeld eine neue geschaffen. Es entstehe „der kümmernde Patronatsstaat, der den Bürgern Geschenke macht, statt sie dauerhaft zu entlasten“.