Angesichts des verheerenden Hochwassers auf dem Balkan warnen die Behörden vor dem Ausbruch von Seuchen und vor freigespülten Kriegsminen. Die EU will ihre Hilfe für die Flutopfer verstärken: EU-Kommissarin Kristalina Georgiewa sagte am Montag in Brüssel, die Unterstützung gehe mittlerweile über das hinaus, was ursprünglich von Serbien und Bosnien-Herzegowina erbeten worden sei. 14 Staaten hätten Hilfe eingeleitet, etwa 450 Helfer aus den EU-Ländern seien bereits an Ort und Stelle.
Bislang kamen bei den Fluten in Bosnien-Herzegowina, Serbien und Kroatien etwa 40 Menschen ums Leben. Bei steigenden Temperaturen könnte von Tierkadavern verunreinigtes Wasser zu Krankheiten wie Typhus oder Hepatitis führen, warnte der Leiter des Gesundheitsamts in Sarajevo im bosnischen Fernsehen. Es gehe nun darum, eine sichere Wasserversorgung zu gewährleisten. Auch deutsche Helfer sind bereits im Einsatz. Tagelanger Regen hatte die Überschwemmungen ausgelöst.
„Es ist schnell klar geworden, dass der Bedarf so riesig ist, dass wir die Hilfe aufstocken mussten“, sagte EU-Kommissarin Georgiewa. Derzeit leiste die EU vor allem akute Nothilfe, in Zukunft werde es auch um den Wiederaufbau gehen. Der Einsatz in Bosnien-Herzegowina sei „sehr komplex“: Dies liege nicht nur an der Aufteilung des Landes unter verschiedenen ethnischen Gruppen, sondern auch daran, dass die Schäden zum Teil in Gebieten entstanden, die bisher noch nicht von Landminen befreit seien.
Die Minenaktionszentren (MAC) in Serbien, Bosnien-Herzegowina und Kroatien stellten ein Team zusammen, das die Gefahr durch Sprengkörper aus dem Krieg in den 90er Jahren einschätzen soll. Das MAC in Sarajevo warnte, die Minen könnten von Wasser und Schlamm hochgespült und fortgetragen werden. Eine Mine sei auch nach Jahren noch eine tödliche Gefahr, selbst wenn der Zündmechanismus feucht geworden sei. „Es gibt keine nicht-tödliche Mine“, sagte Sasa Obradovic vom MAC. Das Hochwasser habe auch Warnschilder zerstört.
Allein in Bosnien-Herzegowina liegen laut MAC noch etwa 120 000 Landminen aus dem Krieg zwischen Serben, Kroaten und Muslimen. Die Gegenden um Doboj und Olovo in Bosnien-Herzegowina, die besonders vom Hochwasser betroffen sind, seien noch stark vermint. In Kroatien wird die Zahl der Sprengkörper auf 13 000 geschätzt.
In Serbien bereiteten sich die Menschen auf eine weitere Flutwelle vor: Millionen weitere Sandsäcke wurden entlang der Sava in Orten wie Sabac, Mitrovica, Belgrad und Obrenovac aufgestapelt. In der Nacht zum Montag hatten die Befestigungen gehalten. Etwa 7000 der 25 000 Einwohner Obrenovacs in der Nähe von Belgrad hatten vorsorglich ihre Häuser verlassen müssen. Weite Teile der Stadt blieben unzugänglich.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach den Flutopfern in Bosnien-Herzegowina und Serbien ihre Anteilnahme aus. Den Familien der Opfer sicherte Merkel die Unterstützung Deutschlands und der EU zu.
Das Technische Hilfswerk (THW) lässt in der serbischen Region Kolubara in der Nähe eines Tageabbaus für Kohle seit Sonntag Großpumpen laufen. Der Einsatz sei zunächst für zwei Wochen geplant, sagte THW-Sprecherin Georgia Pfleiderer.
Erdrutsche zerstörten in Serbien und Bosnien bislang Hunderte Häuser, weitere sind möglich. In Bosnien waren Dutzende Straßen nicht zu passieren. In Tschechien und Polen dagegen entspannte sich die Lage.
Landminen
Die genaue Zahl der weltweit verlegten Minen ist unbekannt. Nach Schätzungen wurden vor dem Landminen-Verbot von 1997 bis zu 110 Millionen Minen in mehr als 70 Ländern verlegt. Nach Angaben der Vereinten Nationen müssen noch besonders in Somalia, dem Kongo, Laos, Kambodscha, dem Irak und Afghanistan viele Minen entfernt werden. In Europa sind Landminen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens noch immer eine tödliche Gefahr. Nach Schätzungen von Experten wurden in den Balkankriegen vor etwa 20 Jahren rund drei Millionen Minen in weiten Teilen Bosnien-Herzegowinas vergraben, etwa ebenso viele in der kroatischen Region Krajina. Viele Minen liegen auch in Serbien an der Grenze zu Kroatien und im Kosovo. Bosnien-Herzegowina galt einst als der am stärksten verminte Staat Südosteuropas. Etwa 7000 einzelne Minenfelder trennten meist die Siedlungsgebiete der Serben von denen der Kroaten und Muslime. Etwa 1800 Männer, Frauen und Kinder wurden bis Ende 2012 bei Minenexplosionen getötet. Noch heute sind nach Angaben von Hilfsorganisationen 2,8 Prozent der Fläche Bosniens vermint. Rund 120 000 Sprengkörper sollen in Bosnien noch im Boden liegen und direkt das Leben von 540 000 dort wohnenden Menschen bedrohen. Dazu gehören die Gegenden um die Städte Doboj und Olovo, die nun besonders vom Hochwasser betroffen sind. Wie bereits bei den Überschwemmungen im Jahr 2001 wurden erneut viele Minen und andere Sprengkörper freigespült und von den Wassermassen mitgerissen. Auch in bereits von Minen geräumten Gebieten Bosniens droht nun besonders Bauern, Hirten und spielenden Kindern eine tödliche Gefahr. Text: dpa