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Hitlers Geburtshaus in Braunau wird enteignet
Hitlers Geburtshaus in Braunau       -  Der Gedenkstein aus dem ehemaligen KZ Mauthausen steht vor dem Geburtshaus Hitlers in Braunau. Das leer stehende Gebäude könnte abgerissen werden.
Foto: Matthias Röder, dpa | Der Gedenkstein aus dem ehemaligen KZ Mauthausen steht vor dem Geburtshaus Hitlers in Braunau. Das leer stehende Gebäude könnte abgerissen werden.
Mariele Schulze-Berndt
 |  aktualisiert: 21.07.2016 03:43 Uhr

„Außer, dass Hitler dort ein paar Windeln nass gemacht hat, ist dort nichts passiert“, sagt Stephan Roth vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Schließlich habe Adolf Hitler nur drei Jahre lang in Braunau am Inn gelebt, im Geburtshaus in der Salzburger Vorstadt 15 sogar nur einige Monate. Hitlers Geburtshaus ist ein unscheinbares gelbes Gebäude, über das seit Jahren gestritten wird. Roth meint, es solle in einer möglichst unauffälligen Weise genutzt werden, als ein Supermarkt zum Beispiel. Der österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka, ÖVP, ist anderer Meinung. Er will das Haus „schleifen“, also abreißen lassen.

Beide Vorschläge haben ein und dasselbe Ziel, nämlich zu garantieren, dass das Haus keine Pilgerstätte für Neonazis bleibt. „Erst in diesem Frühsommer kursierten in den sozialen Netzwerken Fotos von einer ungarischen Gruppe Rechtsextremer, die sich vor dem Haus fotografieren ließen“, sagt Roth.

Supermarkt oder Abriss?

Ob Supermarkt oder Abriss – Voraussetzung für beide Lösungen ist, dass die österreichische Regierung das Recht hat, eine Entscheidung über die Zukunft des Gebäudes zu treffen. Doch das ist bisher nicht der Fall; denn es befindet sich in Privateigentum. Die öffentlichkeitsscheue Besitzerin lebe in München und sei fast 70 Jahre alt, erzählen frühere Klassenkameraden. Auf jeden Fall weigert sie sich seit langem zu verkaufen.

Deshalb hat die österreichische Regierung offiziell beschlossen, die wenig kooperative Dame zu enteignen. „Wir haben alles Mögliche versucht, aber das öffentliche Interesse liegt hier über dem privaten,“ sagt Sobotka entschuldigend. Die Entschädigungssumme werde durch ein Gutachten festgesetzt. Grundlage sei das Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz. Das Parlament muss den Beschluss noch absegnen. Eine zwölfköpfige Kommission, der neben den die Regierung beratenden Historikern auch Vertreter der jüdischen Gemeinde und der Widerstandsgruppen angehören, soll über die Zukunft des Hauses entscheiden.

Laut Sobotka tritt die jüdische Gemeinde für den Abriss ein. Doch offiziell will man sich noch nicht äußern, bevor die Kommission noch vor Ende des Jahres entschieden hat. Ein Abriss könnte am Denkmalschutz scheitern; denn seit 1938/39 steht das Haus unter Denkmalschutz. Es liegt nur ein paar Schritte vom historischen Stadtplatz entfernt. In Braunau macht man sich bereits Gedanken darüber, was nach der Enteignung geschehen soll. Der Anstreicher Peter Wurzel ist gegen einen Abriss: „Das ist doch gute alte Substanz“, wendet er ein. „Und vor allem: was soll in das Loch?“ Diese Frage stellt auch der örtliche Parlamentsabgeordnete Harry Buchmair, SPÖ: „Eine charmante Idee ist der Abriss, aber nicht zu Ende gedacht. Denn was tut man mit dem Platz?“ Diese Frage beschäftigt die Eigentümerin nicht.

Seit 1972 hat sie das Haus an die Regierung als Hauptmieter vermietet und erhält für 800 Quadratmeter Fläche 4800 Euro im Monat. Die Kosten teilen sich Innenministerium und die Stadt Braunau nach einem Schlüssel von 60 zu 40. 1989 wurde – auch im historischen Kontext der Waldheim-Affäre – auf dem Bürgersteig vor dem Haus ein Gedenkstein aus Mauthausener Granit für die Opfer des Konzentrationslagers aufgestellt. Bis 2011 dienten die Räume als Behindertenwerkstatt der Lebenshilfe. Doch sie zog aus,weil die Eigentümerin behindertengerechte Umbauten ablehnte. Seitdem steht das dreistöckige Haus leer.

Viele Nutzungen ausgeschlossen

Ein neuer Mieter wurde nicht gefunden, weil der Hauptmietvertrag viele Nutzungen ausschließt. Möglich sind sozialedukative oder Verwaltungseinrichtungen. Immer muss die Eigentümerin zustimmen. Ihre Familie kaufte das Wirtshaus 1912. 1938 wurde sie genötigt, es zu verkaufen. Martin Bormann, ein enger Vertrauer Hitlers, wollte ein nationalsozialistisches Kulturzentrum darin unterbringen und zahlte einen weit überhöhten Preis. Nach dem Krieg gehörte das Haus kurzzeitig der Gemeinde. Doch die Großmutter der jetzigen Besitzerin klagte erfolgreich auf Rücküberstellung.

Sie argumentierte, ihre Familie habe nie mit den Nazis sympathisiert und sei zum Verkauf gezwungen worden. 1954 ging es für nur 150 000 Schilling, etwa 25 000 DM, an die Familie Pommer zurück.

Ihr gehören hinter dem Haus Garagen und ein Parkplatz, der an einen Supermark verpachtet ist. Stephan Roth vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes weist darauf hin, dass dort früher ein Hinterhaus gestanden habe. Es sei durchaus möglich, dass die Familie Hitler dort gewohnt habe, meint er. Der Abriss sei also schon erfolgt.

 
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