Die Opfer haben weißen Schaum vor dem Mund, apathisch und mit aufgerissenen Augen liegen sie auf den Tragen. Mindestens fünf Menschen sollen nach dem Bericht eines BBC-Reporters aus Aleppo in ihrem Haus mit Nervengas kontaminiert worden sein. Drei starben, das Leben der beiden anderen konnten die Ärzte im Krankenhaus durch ein Gegengift retten.
Nicht zuletzt wegen dieser Youtube-Bilder räumte das Weiße Haus nun erstmals ein, das Assad-Regime könnte Mitte März nahe Aleppo sowie zuvor in Homs und Damaskus Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt haben.
Dafür spricht auch, dass nach Angaben der BBC zwölf Mediziner, Schwestern und Sanitäter, die mit den Opfern von Aleppo in Berührung kamen, ebenfalls Vergiftungssymptome zeigten und behandelt werden mussten. Es könne mit „verschiedenen Graden von Sicherheit“ gesagt werden, dass „in kleinem Maßstab“ Giftgas – wahrscheinlich Sarin – eingesetzt worden sei, heißt es in einem Brief des Weißen Hauses an den Kongress in Washington. „Wir glauben, dass jeder Einsatz von Chemiewaffen in Syrien wahrscheinlich vom Assad-Regime ausging.“
Chuck Hagel: Noch keine Klarheit
Dagegen erklärte US-Verteidigungsminister Chuck Hagel, man habe nach wie vor keine Klarheit, „welche Chemikalie eingesetzt wurde, wo sie eingesetzt wurde und wer sie eingesetzt hat.“ Damit ließ Hagel offen, ob nicht auch Rebellen für Angriffe verantwortlich sein könnten, um ein militärisches Eingreifen der USA zu provozieren.
Der britische Regierungschef David Cameron erklärte, Großbritannien werde versuchen, nicht den Fehler zu machen, Reaktionen übers Knie zu brechen. Die bisherigen Erkenntnisse in Washington und London beruhen offenbar auf Analysen von Bodenproben und Blut der Verletzten. Bereits am Dienstag hatte der israelische General Itai Brun behauptet, es gebe Beweise, dass Assad mehrfach Giftgas eingesetzt habe. Brun berief sich dabei auf die Auswertung von Opferfotos sowie auf „direkte Erkenntnisse“, die er jedoch nicht näher spezifizierte.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte Assad auf, umgehend eine Untersuchungskommission ins Land zu lassen und ihr „vollen und uneingeschränkten Zugang“ zu gewähren. Nach seinen Worten steht bereits seit Mitte März ein Team von UN-Spezialisten bereit, um Hinweisen auf Chemiewaffeneinsätze nachzugehen. Ursprünglich hatte das Assad-Regime selbst die Waffenexperten angefordert, um einen angeblichen Giftgasangriff der Rebellen in Aleppo untersuchen zu lassen. Inzwischen jedoch lehnt Damaskus jegliche Zusammenarbeit ab.
Der Giftgasverdacht fachte die westlichen Debatten um Waffenlieferungen und militärisches Eingreifen in Syrien neu an. Londons Premier Cameron schloss am Freitag einen Einmarsch in Syrien erneut aus, forderte aber, der Westen müsse künftig mehr tun, um der Opposition zu helfen.
Flugverbotszone gefordert
Israels Vize-Außenminister Zeev Elkin dagegen erklärte, die internationale Gemeinschaft müsse sich jetzt darauf rüsten, gegen Syrien vorzugehen. „Wenn die internationale Gemeinschaft erkennt, dass Giftgas eingesetzt wurde, wird sie keine andere Wahl mehr haben, als militärisch zu handeln.“ Ein Sprecher des syrischen Oppositionsbündnisses „Nationale Koalition“ forderte den Westen auf, endlich eine Flugverbotszone zu errichten. Syrien besitzt nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste neben den USA, Russland und Nordkorea das größte Chemiewaffenarsenal der Welt. Nach Einsatzplänen des Pentagons wären mindestens 50 000 Soldaten nötig, die Giftgasbestände auszuschalten.