Der neue Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, hat eindringlich an die Länder appelliert, sich an der Einrichtung eines Hilfesystems für ehemalige und aktuelle Opfer von Kindesmissbrauch zu beteiligen. Auf Empfehlung des runden Tisches Sexueller Kindesmissbrauch soll ab 2013 zunächst für drei Jahre ein derartiger Fonds eingerichtet werden. Der Bund habe dafür bereits 50 Millionen Euro bereitgestellt, eine finanzielle Unterstützung von den Ländern sei dagegen bisher nicht sicher. „Ich möchte an die Länder appellieren, sich rasch mit dem Bund zu einigen und finanzielle Hilfe zur Verfügung zu stellen“, sagte Rörig am Dienstag bei der Vorstellung seiner Halbjahresbilanz in Berlin.
Insgesamt gebe es Verbesserungen und Fortschritte bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch, zog der Nachfolger der früheren Familienministerin Christine Bergmann ein positives Fazit seiner bisherigen Arbeit. Gleichwohl räumte er ein: „Wir befinden uns weiterhin am Anfang.“ Viele große gesellschaftliche Dachorganisationen wie die Kommunalen Spitzenverbände, die Arbeiterwohlfahrt, der Paritätische Gesamtverband und der Deutsche Olympische Sportbund haben inzwischen Vereinbarungen für einen verbesserten Schutz der Kinder vor sexueller Gewalt unterzeichnet. „Die Dachorganisationen haben ein großes Problembewusstsein und eine sehr hohe Sensibilität“, meinte Rörig. Vereinbarungen mit weiteren Organisationen stünden kurz vor dem Abschluss.
Ein Bild von der aktuellen Situation an Betreuungseinrichtungen will sich Rörig mit zwei bundesweiten Umfragen machen. Durch einen Katalog von 39 Fragen soll ermittelt werden, inwieweit sich die Einrichtungen mit dem Thema sexualisierte Gewalt bisher beschäftigt haben und welche Schutzmaßnahmen bereits umgesetzt oder geplant sind. Vergangene Woche wurde die erste Befragung, unter anderem an Kitas, Heimen, Internaten, Jugend- und Sportverbänden, begonnen. Erste Ergebnisse sollen im Herbst vorliegen und im Dezember auf dem Bilanztreffen des runden Tisches Sexueller Kindesmissbrauch vorgestellt werden. Die zweite Befragung ist für das kommende Frühjahr, die Veröffentlichung für Sommer 2013 geplant.
Eine bundesweite Kampagne soll ab Ende September die Einführung von Schutzkonzepten begleiten und unterstützen. Damit will der Beauftragte nicht nur auf die Einrichtungen einwirken, sondern auch die Öffentlichkeit sensibilisieren, das Thema Kindesmissbrauch enttabuisieren und starke Partner gewinnen. Vor allem sollten Eltern und Fachkräfte ermutigt werden, Schutzkonzepte in Einrichtungen nachzufragen. „Es muss zur Selbstverständlichkeit werden, sich nach Schutzkonzepten für seine Kinder zu erkundigen“, sagte Rörig. Als langfristiges Ziel nannte er die Schaffung eines gesellschaftlichen Bündnisses gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen.