Der Gefahr, sich ein Schädel-Hirn-Trauma zuzuziehen, wie Michael Schumacher dies am 29. Dezember erlitt, setzen sich nicht nur Skifahrer oder Extremsportler aus. „Es existieren eine ganze Menge alltägliche Situationen, in denen es zu solchen Schädel-Hirn-Verletzungen kommen kann“, sagt Professor Ralf-Ingo Ernestus, Direktor der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg.
Häufigste Ursachen für eine derartige Verletzung sind Unfälle im Verkehr, im Haushalt oder beim Sport. „Schwere Autounfälle, aber auch die Treppe herunterstürzen, weil man die Stufe verfehlt, oder beim Kirschbaumschneiden von der Leiter fallen sind ganz typische Unfallursachen“, erklärt der Mediziner.
Nach Informationen des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität in München gibt es jährlich circa 200 000 Fälle von Schädel-Hirn-Traumata in Deutschland. Etwa 10 000 Menschen mit dieser Diagnose sterben, rund 4500 Patienten bleiben pflegebedürftig. Die Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie gibt an, dass die schwere Schädel-Hirnverletzung die häufigste Todesursache bei unter 45-Jährigen ist.
In der Würzburger Neurochirurgie wurden 2013 mehr als 130 Patienten wegen eines Schädel-Hirn-Traumas behandelt, berichtet Ernestus. Der Mediziner betont, dass es wichtig ist, die Verletzung nicht mit einer Schädelprellung zu verwechseln: „Bei einer Schädelprellung ist das Gehirn nicht beteiligt. Es kommt hierbei nie zu einer Bewusstseinsstörung. Im Gegensatz dazu ist das Schädel-Hirn-Trauma durch die Mitbeteiligung des Gehirns gekennzeichnet. Hier kommt es in aller Regel zu Bewusstseinsstörungen wie Amnesie oder Bewusstlosigkeit.“
In Unter- und Oberfranken wird die Behandlung von Schädel-Hirn-Traumata durch das Traumanetzwerk Nordbayern-Würzburg abgedeckt. Durch das Traumanetzwerk sind die Kliniken in der Region gut vernetzt. „Die Primärversorgung findet in der Regel in der nächstgelegenen Klinik statt. Nach der Erstversorgung und genaueren Diagnostik werden die Patienten dann bei Bedarf in das überregionale Traumazentrum am Universitätsklinikum Würzburg verlegt“, erklärt der Neurochirurg.
Kliniken in der Region, die zum Traumanetzwerk zählen, befinden sich beispielsweise in Lichtenfels, Aschaffenburg, Bad Neustadt, Bad Kissingen, Schweinfurt, Kitzingen oder Tauberbischofsheim. Ob der Patient zuerst in eine dieser Kliniken eingeliefert wird oder sofort nach Würzburg gebracht wird, entscheidet der Notarzt je nach Schwere des Traumas.
Welche Folgen ein solches Trauma nach sich zieht, hängt von der Schwere der Verletzungen ab. Neben den Primärschäden am Kopf, die durch äußere Gewalteinwirkung auftreten und zur Prellung und Einblutung führen, gibt es die Sekundärschäden, wie Hirnschwellung und Durchblutungsstörungen. „In der frühen Phase nach einem Trauma ist eine Prognose hier noch gar nicht einzuschätzen.“
Ob ein Patient sich wieder ganz erholt, kann allgemein nicht gesagt werden, erklärt der Arzt. „Das hängt von ganz vielen individuellen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem Alter, Begleiterkrankungen oder der allgemeinen Konstitution des Patienten.“ Auch kommt es darauf an, welche Hirnareale von der Verletzung betroffen sind.
Man kann versuchen, sich vor einem schweren Hirn-Trauma zu schützen, indem man etwa beim Radfahren einen Helm trägt und sich beim Autofahren anschnallt, sagt der Arzt: „Das Wichtigste ist die Aufmerksamkeit im Straßenverkehr oder auch beim Treppensteigen. Denn es sind oft wenige Sekunden der mangelnden Konzentration, die zu solch lebensverändernden Folgen führen können.“
Michael Schumacher trug einen Helm bei seinem Sturz – dieser konnte ihn allerdings nicht ausreichend schützen. Der siebenmalige Formel-1 Weltmeister ist weiter in einem kritischen Zustand. Schumacher wird am heutigen Freitag 45 Jahre alt.
Traumanetzwerk Nordbayern-Würzburg
Um die Behandlung von Schwerverletzten in Deutschland zu verbessern, hat die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie die Initiative Traumanetzwerk ins Leben gerufen. Durch die Vernetzung von Kliniken auf regionaler Basis soll die Versorgung von Schwerverletzten verbessert werden. Die Teilnahme am Netzwerk verpflichtet die Kliniken zu jeder Zeit zur Aufnahmebereitschaft für Schwerverletzte. In Nordbayern haben sich zwischen Aschaffenburg und Lichtenfels 17 Kliniken zum Traumanetzwerk Nordbayern-Würzburg (TNW) zusammengeschlossen. Seit 2008 ist das Universitätsklinikum Würzburg als überregionales Traumazentrum zertifiziert. TEXT: JSC
ONLINE-TIPP
Eine Liste der Kliniken des Traumanetzwerks Nordbayern im Internet unter www.mainpost.de/online-tipp