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Hier zum Herzen, dort zum Kopf
AKK und die Machtfrage:  Im Rennen um die Nachfolge von Angela Merkel hat Kramp-Karrenbauer gute Chancen
Friedrich Merz (von links nach rechts), der frühere CDU/CSU-Fraktionschef, Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU Generalsekretärin und Jens Spahn (CDU), Gesundheitsminister sind Kandidaten für den Parteivorsitz.
Foto: Silas Stein, dpa | Friedrich Merz (von links nach rechts), der frühere CDU/CSU-Fraktionschef, Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU Generalsekretärin und Jens Spahn (CDU), Gesundheitsminister sind Kandidaten für den Parteivorsitz.
Bernard Bernarding
 |  aktualisiert: 02.12.2018 02:38 Uhr

Es ist jetzt 20 Jahre her, als eine Mutter dreier kleiner Kinder aus dem beschaulichen Püttlingen mit ihrem Kleinwagen nach Bonn fuhr, um dort große Politik zu schnuppern. Annegret Kramp-Karrenbauer, damals völlig unbekannte Referentin der CDU-Geschäftsstelle in Saarbrücken, weinte auf der Fahrt in die Bundesstadt, es war ihr mulmig zumute. Auch weil sie nicht wusste, was sie im Bundestag zu erwarten hatte als Nachfolgerin des prominenten CDU-Abgeordneten Klaus Töpfer, der als UNO-Direktor nach Nairobi wechselte.

KK, wie man sie später wegen ihres Zungenbrechernamens nennen sollte, galt zu jener Zeit als „graue Maus“, die nicht weiter auffiel. Das sollte sich bald grundlegend ändern. Heute schickt sich die nunmehr 56-jährige Saarländerin an, nächste Vorsitzende der größten deutschen Partei zu werden. Nicht nur das, AKK peilt auch das wichtigste Amt an, das die Wirtschaftsnation Deutschland zu vergeben hat: das Kanzleramt. Tatsächlich geht es in dem spannenden Wettbewerb der Parteifreunde Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn um weit mehr als um die Nachfolge von Angela Merkel im CDU-Parteivorsitz. Es geht um Macht, Einfluss, Ruhm - und um einen Platz in den Geschichtsbüchern.

Die Chancen von AKK stehen zwei Wochen vor der Entscheidung auf dem Bundesparteitag der CDU am 7. Dezember in Hamburg ziemlich gut. „S´Annegret“, wie Kramp-Karrenbauer im Saarland freundlich-kumpelhaft genannt wird (was zuvor nur Lafontaine gelungen war mit „de Oskar“), liegt in der Gunst der Bundesbürger und CDU-Mitglieder vorn. Manche Umfragen sehen sie sogar „weit vor Friedrich Merz“ (Forsa), auch nach den Daten des ARD-Deutschlandtrends ist sie „klare Favoritin“ im Rennen um die Merkel-Nachfolge.

Aber es gibt auch andere Zahlen. So meldete das Institut Emnid vor wenigen Tagen, der Sauerländer Merz liege in Führung, bei den Anhängern der Union gar recht deutlich (49 Prozent Merz, 32 Prozent AKK, sieben Prozent Spahn). Allerdings sind Umfragen in diesem frühen Stadium der Meinungsbildung noch recht volatil. Und weil die Meinung der Basis eben noch nicht gefestigt ist, scheint zwei Wochen vor der Entscheidung in Hamburg nur klar, dass noch nichts klar ist. Vielleicht mit einer Ausnahme: Der erst 38-jährige Gesundheitsminister Jens Spahn, der offen zu seiner Homosexualität steht und seit dem Durchbruch der Ehe für alle mit einem „Bunte“-Journalisten verheiratet ist, hat beim Dreikampf der Matadore offenbar keine Chance.

Für den Frühstarter aus dem Münsterland, der bereits mit 22 Jahren in den Bundestag einzog, kommt diese Bewährungsprobe wohl zu früh. Er will seine Kandidatur trotzdem durchziehen, weil er so im Fokus der Medien steht und seinen Bekanntheitsgrad für spätere Zeiten steigern kann. Bleibt also das Duell der ungleichen Parteifreunde Merz und AKK. Die 1001 Delegierten des CDU-Kongresses haben sprichwörtlich die Qual der Wahl, denn die Sympathiewellen, die sie der unprätentiösen Saarländerin mit dem unbekümmerten Auftreten entgegen bringen, werden zugleich von ihrem politischen Empfinden ausgebremst: Eigentlich ist es der kühl wirkende Schnelldenker Friedrich Merz, der mit seiner unbestreitbaren Wirtschaftskompetenz und konservativen Grundhaltung die Sehnsüchte vieler Christdemokraten nach der „guten alten Zeit“ unter Helmut Kohl verkörpert.

Schließlich war es ja gerade die „Sozialdemokratisierung der CDU“ durch Angela Merkel, die zu Missmut in der Union geführt hat und mitverantwortlich gemacht wurde für das Erstarken der AfD. Es war denn auch diese latente Unzufriedenheit vieler Christdemokraten über den halblinken Defensivkurs, der Merkel in die Bredouille brachte und nach den blamablen Ergebnissen der Bayern- und Hessenwahl schließlich zum Rückzug zwang. Gemäß dieser Logik wäre es also eher ein Typ wie Friedrich Merz, den sich die Parteimitglieder jetzt wünschen.

Kramp-Karrenbauer weiß das und sie schätzt ihre Chancen durchaus realistisch ein. Gut beraten vom CDU-Haudegen Josef Hecken (früher Staatssekretär in Berlin und Minister im Saarland) und Karl Rauber (unter Peter Müller Chef der Staatskanzlei in Saarbrücken) hat sie nüchtern analysiert, dass das Rennen offen ist und womöglich erst die „Tagesform“ der Kandidaten auf dem Parteitag die Entscheidung bringen wird. Im klaren Bewusstsein der einmaligen Chance, dem Land künftig an herausragender Stelle „dienen“ zu können, hat sie ihre Auftritte auf den Regionalkonferenzen der CDU bislang souverän gemeistert. Sie spricht bei den Veranstaltungen die Herzen der Zuhörer an, während Merz mit seiner ausgefeilten Rhetorik eher auf die Köpfe zielt.

In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gibt sie zu erkennen, dass es im Kampf um die Nachfolge der Parteivorsitzenden Merkel natürlich auch ums Kanzleramt geht, das sie sich – in krassem Gegensatz zu ihrer Befindlichkeit vor 20 Jahren – nun auch tatsächlich zutraut. Ob sie den großen Sprung schafft oder nicht: der künftige Kanzlergatte oder die künftige Kanzlergattin wird auf jeden Fall aus dem Saarland kommen. Sowohl AKK-Ehemann Helmut als auch Charlotte, die Frau von Friedrich Merz, sind gebürtige Saarländer. Sie würden die beeindruckende Riege saarländischer Köpfe in Berlin – auch Bundesaußenminister Heiko Maas, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht sind im Saarland zuhause – noch vergrößern.

 
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