Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner verteidigt die Reformpolitik des früheren SPD-Kanzlers Gerhard Schröder. Was die CSU-Politikerin SPD-Chef Martin Schulz rät und wo er ihrer Meinung nach irrt.
Ilse Aigner: Da mache ich auf jeden Fall mit. Gerade in unsicheren Zeiten ist es wichtig, jemand so erfahrenen wie Angela Merkel an der Spitze zu wissen. Wir stehen vor großen internationalen Herausforderungen – etwa mit Blick auf Russland, die Ostukraine, die Türkei, die USA oder Großbritannien.
Aigner: Ich habe das Gefühl, dass heute blumige Worte mehr zählen als überlegtes Handeln. Ich erinnere nur daran, dass die Finanzwelt nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 in eine tiefe Krise gestürzt ist. In dieser schweren Situation für Deutschland hat Frau Merkel mit großer Besonnenheit und eben nicht mit Hauruck-Aktionen reagiert und die richtigen Schritte eingeleitet.
Aigner: Ja, natürlich. Dass es uns heute in Deutschland wirtschaftlich so gut geht, hat viel mit der Agenda zu tun. Die Betriebe haben Mitarbeiter eingestellt, weil und nachdem wir den verkrusteten Arbeitsmarkt reformiert haben. Aber viele nehmen das Erreichte inzwischen als selbstverständlich hin. Dabei gibt es kein Auseinanderdriften zwischen den gesellschaftlichen Schichten, die Teilhabe am Wachstum ist dank der hohen Beschäftigungsquote so groß wie nie. An die Adresse von Schulz sage ich: Man kann den Menschen auch einreden, dass es ihnen schlecht geht. Die beste Sozialpolitik ist, wenn die Menschen Arbeit haben. Sozial ist tatsächlich, was Arbeit schafft. Wir haben in Deutschland so viele Beschäftigte wie nie und in Bayern in vielen Regionen Vollbeschäftigung. Vor der Agenda waren doppelt so viele Menschen arbeitslos und von sozialer Unterstützung abhängig. Das waren krisenhafte Zeiten, aber heute geht es den Menschen in aller Regel besser als je zuvor.
Aigner: Ich weiß, dass viele Menschen Angst vor der Globalisierung haben. Aber ich sehe es als meine Aufgabe an, ihnen diese Ängste zu nehmen statt sie darin zu bestärken: Bayern hat enorm von der Globalisierung und vom vereinigten Europa profitiert. Jeder vierte Arbeitsplatz – im verarbeitenden Gewerbe sind es sogar über 50 Prozent der Stellen – hängt im Freistaat vom Export ab. Globalisierung ist für uns also überlebenswichtig und ein Job-Garant.
Aigner: Natürlich machen wir uns Sorgen wegen des Brexit. Großbritannien ist unser drittwichtigstes Exportland nach den USA und China. Wir müssen deshalb möglichst schnell und reibungslos zu einer neuen Handelspartnerschaft finden. Was die Vereinigten Staaten betrifft, hoffen wir, Trump von den Vorzügen des Freihandels zu überzeugen. Merkel hat bei ihrem Besuch bei Trump jedenfalls sehr clever Überzeugungsarbeit geleistet.
Und sie hatte mit Siemens, BMW und Schaeffler Vertreter dreier bayerischer Firmen dabei, die die Vorzüge der beruflichen Ausbildung in Deutschland aufgezeigt haben. Die duale Berufsausbildung ist eine der Stärken Deutschlands. Das wird nicht genug herausgestellt.
Aigner: Junge Menschen haben heute in Deutschland beste Perspektiven. Viele können sich aussuchen, was sie beruflich machen wollen. Das ist mitnichten selbstverständlich, wenn sie etwa auf die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland oder Spanien blicken. Dort sind über 40 Prozent der jungen Menschen ohne Job. Das muss auch Schulz einsehen. Doch er tut so, als würden junge Arbeitnehmer von einem befristeten Arbeitsverhältnis ins andere geschoben. Und Schulz behauptet auch fälschlicherweise, bei uns habe man nur Anspruch auf zwölf Monate Arbeitslosengeld I. Er verschweigt, dass ältere Menschen die Leistung länger beziehen können.
Aigner: Ich will verhindern, dass wir noch einmal in Massenarbeitslosigkeit abrutschen und Deutschland wieder der kranke Mann Europas wird. Ich verstehe nicht, dass die eigenen SPD-Leute unter Schulz die Agenda zurückdrehen wollen. Wir müssen soziale Leistungen, die wir verteilen, zunächst erwirtschaften. Auch der heilige Martin muss sich den Mantel erst einmal kaufen, ehe er ihn teilen kann.