Mit ihrer Generalkritik am Islam hat die rechtspopulistische AfD scharfen Widerspruch quer durch die politischen Reihen hervorgerufen. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sieht die Partei angesichts der islamkritischen Haltung ihrer Spitze gar auf Konfrontationskurs mit dem Grundgesetz. „Wenn man unser Grundgesetz ernst nimmt, dann gilt die Religionsfreiheit“, sagte Tauber am Montag in Berlin. Die Positionen der AfD zeigten, dass die Partei „ein grundsätzliches Problem mit unserer verfassungsgemäßen Ordnung hat“.
Am Wochenende hatte die stellvertretende AfD-Vorsitzende Beatrix von Storch gesagt, der Islam sei „mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“. Wenn es nach dem Willen der AfD geht, sollen in Deutschland künftig Symbole des Islam, wie Minarette, Muezzin-Rufe und die Vollverschleierung aus der Öffentlichkeit verbannt werden. In zwei Wochen will die AfD ihre Position auf ihrem Parteitag in ein Grundsatzprogramm gießen und damit auf Wählerfang gehen.
„Die AfD radikalisiert sich immer mehr“, sagte der Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Franz Josef Jung, der Zeitung „Die Welt“. Nicht der Islam, sondern das Gedankengut der AfD sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, denn: „Ihre Positionen zum Islam zeugen von eindeutig extremistischem Denken“, mahnte Jung. Die AfD diffamiere pauschal einen ganzen Glauben und wolle mit dem Verbot von Minaretten die Religionsfreiheit einschränken, sagte der CDU-Politiker.
Die Beauftragte der SPD für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Kerstin Griese, ist alarmiert. „Die AfD schürt auf hochgefährliche Weise haltlose Vorurteile. Selbstverständlich gibt es einen Islam, der sich ans Grundgesetz hält. Praktiziert wird er von weit mehr als 90 Prozent der hier lebenden Muslime“, sagte sie gegenüber der „Welt“. Man dürfe nicht der Gefahr der Verallgemeinerung erliegen und aufgrund der Existenz einiger extremistischer Gruppen eine ganze Religion unter Generalverdacht stellen.
Die Linke warf der AfD vor, sie schüre „Rassismus gegen Muslime“. Die religionspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Christine Buchholz, sagte: „ Die AfD wirft geistige Brandsätze und ist so mitverantwortlich für die steigende Zahl an islamfeindlichen Übergriffen auf Flüchtlingsheime. Ähnlich argumentierte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz. „Indem sie Muslime und den Islam pauschal diffamieren, zündeln die Rechtspopulisten weiter und setzen bewusst auf eine Spaltung unserer Gesellschaft.“ Die AfD versuche vorsätzlich, „den Islam als pauschales Feindbild zu konstruieren, um so auf Wählerfang zu gehen“.
Regierungssprecher Steffen Seibert verwies auf Aussagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, in denen sie mehrfach betont habe, „dass es offenkundig ist, dass der Islam inzwischen unzweifelhaft zu Deutschland gehört“. Gleichzeitig verwies Seibert auf den Artikel 4 des Grundgesetzes, der die Unverletzlichkeit der Freiheit des Glaubens, des Gewissens und der Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sowie die ungestörte Religionsausübung garantiert. „Das gilt“, betonte Seibert.
Kritik gab es auch vom Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD). Er nannte die AfD-Position „abstoßend“. „Die Partei giert fieberhaft nach Aufmerksamkeit und kein Populismus ist ihr dafür billig genug.“
Der Zentralrat der Muslime verglich die AfD mit der NSDAP. Zum ersten Mal seit Hitler-Deutschland gebe es eine Partei, die eine ganze Religionsgemeinschaft diskreditiere und existenziell bedrohe, sagte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek.
Der einstige AfD-Mitgründer Bernd Lucke hält wenig von den islamfeindlichen Äußerungen seiner früheren Partei. „Mit populistischen Forderungen wie Minarettverboten oder islamischen Gottesdiensten nur in deutscher Sprache fördern wir nur die Radikalisierung von Muslimen.“
Religionsfreiheit
Der rigide Anti-Islam-Kurs der AfD ist auch innerhalb der rechtspopulistischen Partei nicht unumstritten.
Der AfD-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz, Uwe Junge, sagte am Montag im Deutschlandfunk, die jüngsten Äußerungen der Vizevorsitzenden Beatrix von Storch und Alexander Gauland seien noch nicht die endgültige Haltung der Partei zu diesem Thema. Junge rechnet im Grundsatzprogramm mit einer „differenzierten Positionierung“ zum Islam. Getreu der von Parteichefin Frauke Petry vorgegebenen Strategie: „Erst provozieren, dann differenzieren.“ In Deutschland herrscht Religionsfreiheit. Die Beziehungen zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften werden durch das sogenannte Religionsverfassungsrecht geregelt. Artikel 4 des Grundgesetzes garantiert: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ Dieses Grundrecht gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes gleichermaßen für alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. M. Rother/dpa