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BERLIN
Haushaltsdebatte: Ein bisschen mehr Netto vom Brutto
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Rudi Wais
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 17.09.2016 03:35 Uhr

In Sichtweite der Bundestagswahl öffnet Wolfgang Schäuble seine Schatulle. Eine Steuerentlastung im größeren Stil verspricht der Finanzminister zwar erst für die nächste Legislaturperiode – zuvor aber sollen wenigstens der Grundfreibetrag, der Kinderfreibetrag und das Kindergeld leicht angehoben und die Steuerprogression ein wenig entschärft werden. Große Sprünge werden die Beschäftigten und ihre Familien damit jedoch nicht machen können – in den meisten Fällen bleiben ihnen unterm Strich lediglich ein paar Euro mehr im Monat.

Eher beiläufig versprach Schäuble zum Auftakt der Haushaltsberatungen im Bundestag ein Mini-Paket an Steuerentlastungen, deren Folgen er selbst als „begrenzt“ beschreibt. Zu zwei Maßnahmen, der Erhöhung von Grund- und Kinderfreibetrag, ist er sogar per Gesetz verpflichtet: Sie müssen regelmäßig den gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst werden, und wenn der Kinderfreibetrag steigt, steigt in der Regel auch das Kindergeld, zuletzt in zwei Schritten um insgesamt sechs Euro pro Kind und Monat.

Auch die versprochene Korrektur der Steuerprogression dürfte den Steuerzahlern maximal zwei Milliarden Euro an Entlastung bringen. Mit ihr will Schäuble einen Effekt bremsen, den Ökonomen gerne als „kalte Progression“ bezeichnen: Wenn der Staat seine Steuertabellen nicht regelmäßig an die Inflation anpasst, zwackt sich der Fiskus bei jeder Lohnerhöhung, die lediglich die Inflation ausgleicht, einen größeren Anteil vom Einkommen ab.

Nach der Wahl könnten die Steuern nach Schäubles Worten um jährlich rund 15 Milliarden Euro sinken, vor allem für die Bezieher von kleineren und mittleren Einkommen. „Uns geht es so gut wie nie zuvor“, betonte der Finanzminister. Alleine im kommenden Jahr wird der Bund rund 299 Milliarden Euro an Steuern einnehmen, im Jahr 2020 sollen es dann schon mehr als 336 Milliarden sein. Auch in der SPD häufen sich deshalb die Stimmen, die für eine Steuersenkung werben. Fraktionschef Thomas Oppermann und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil stoßen sich vor allem daran, dass der Spitzensteuersatz von 42 Prozent bereits bei einem zu versteuernden Einkommen von 60 000 Euro im Jahr beginnt.

Niedrigzinsen helfen Schäuble

Schäubles Etat für 2017 wird der dritte nacheinander mit einer „schwarzen Null“ sein, auch in der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahr 2020 kommt der Bund nach Berechnungen des Finanzministeriums ohne neue Kredite aus. Das allerdings ist aus Sicht der Opposition kein Verdienst der Koalition, sondern das Ergebnis der Niedrigzinspolitik, die die Europäische Zentralbank betreibt.

„Bei den historisch niedrigen Zinsen und der guten Konjunktur einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen, ist keine große Kunst“, kritisierte der Finanzexperte der Grünen, Sven-Christian Kindler. Seit Ausbruch der Finanzkrise hat der Bund sich rund 122 Milliarden Euro an Zinsen gespart – also gut und gerne 15 Milliarden pro Jahr. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres nahm Schäuble sogar 1,5 Milliarden Euro ein, weil Anleger immer häufiger bereit sind, ihm auch Anleihen mit Strafzinsen abzukaufen. Das heißt: Sie zahlen dem Staat etwas dafür, dass sie ihr Geld bei ihm parken dürfen.

Insgesamt gibt der Bund im kommenden Jahr 328,7 Milliarden Euro aus, gut drei Milliarden Euro mehr als noch im März veranschlagt. Der größte Posten in Schäubles Etat sind unverändert die Sozialausgaben mit fast 187 Milliarden Euro. Für Integrationskurse, die zügigere Abwicklung von Asylverfahren, Eingliederungsprogramme in den Arbeitsmarkt und andere Aufgaben zur Bewältigung der Flüchtlingskrise stellt der Finanzminister knapp 19 Milliarden Euro zur Verfügung; bis Ende 2020 addiert sich dieser Posten sogar auf gut 77 Milliarden Euro. Für Investitionen stehen rund 35 Milliarden Euro bereit, das sind zehn Milliarden mehr als noch vor zwei Jahren. Beim Blick auf die Zahlen von Bayern oder Sachsen allerdings relativiert sich diese Erfolgsmeldung: Beide Bundesländer investieren etwa 16 Prozent ihres Geldes und kurbeln damit auch die Wirtschaft an – beim Bund sind es nicht einmal elf Prozent.

Bundestag       -  Finanzminister Wolfgang Schäuble stellte eine Mini-Steuersenkung für 2017 in Aussicht.
Foto: Michael Kappeler, dpa | Finanzminister Wolfgang Schäuble stellte eine Mini-Steuersenkung für 2017 in Aussicht.
 
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