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BERLIN
Hat die Regierung gelogen?
Bundeskanzleramt in Berlin: Was wusste man dort von den Machenschaften des BND?
Foto: Tim Brakemeier, dpa | Bundeskanzleramt in Berlin: Was wusste man dort von den Machenschaften des BND?
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 |  aktualisiert: 29.04.2015 19:23 Uhr

Der Vorwurf wiegt schwer und könnte gravierender nicht sein. Hat Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) das Parlament belogen und wider besseren Wissens die Unwahrheit gesagt? Vor einem Monat, am 31. März, wollte die Linksfraktion im Bundestag in einer umfangreichen parlamentarischen Anfrage wissen, ob der Bundesregierung bekannt sei, „in welchen anderen Staaten die NSA und andere US-Dienste Wirtschaftsspionage betrieben haben beziehungsweise betreiben“. Zwei Wochen später, am 14. April, antwortete das Innenministerium lapidar: „Es liegen weiterhin keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch die NSA oder andere Dienste in anderen Staaten vor.“

Doch das entsprach zu diesem Zeitpunkt nach allem, was bislang bekannt ist, nicht der Wahrheit. Wie die Bundesregierung vor wenigen Tagen selber einräumte, wurde sie bereits am 12. März von BND-Chef Gerhard Schindler davon in Kenntnis gesetzt, dass der BND über Jahre hinweg dem US-Geheimdienst NSA sogenannte Selektoren – die Telefon- und Handynummern sowie E-Mail- und IP-Adressen von 40 000 deutschen und europäischen Personen, Unternehmen und Institutionen – zur Verfügung gestellt habe.

Am Wochenende musste die Bundesregierung zudem zugeben, dass das Kanzleramt schon in den Jahren 2008 und 2010 schriftlich über diese Vorgänge vom BND informiert worden war, ohne dass dies damals zu Konsequenzen geführt hätte. Wie die stellvertretende Regierungssprecherin Christine Wirtz am Montag auf Nachfragen bestätigte, ging das Kanzleramt unter den damaligen Ministern Thomas de Maiziere und Ronald Pofalla (beide CDU) den Hinweisen nicht nach und stellte die 2002 unter dem damaligen Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier vereinbarte Kooperation zwischen BND und NSA nicht infrage.

Für die Oppositionsparteien im Bundestag lässt dies alles nur einen Schluss zu: „Das Parlament wurde offensichtlich jahrelang gezielt belogen“, sagte der Vize-Fraktionschef der Linken, Jan Korte. „Es wird jetzt endlich Zeit, dass die Bundesregierung alles auf den Tisch legt, was sie über die Machenschaften der Geheimdienste weiß.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei in der Pflicht, für umfassende und schonungslose Aufklärung zu sorgen. „Dass das Parlament belogen wurde, muss Konsequenzen haben“, forderte Korte.

Der Obmann der Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss, Konstantin von Notz, kritisierte, dass dies kein Einzelfall sei. Es habe sich „eine Kultur etabliert, dem Parlament nicht die Wahrheit zu sagen“. Sahra Wagenknecht von der Linkspartei forderte gar den Rücktritt des Innenministers. „Thomas de Maiziere hat das Parlament belogen und über Jahre hinweg tatenlos zugesehen, wie deutsche sowie französische Politiker und Unternehmen von US-Geheimdiensten ausspioniert wurden.“ Daher sei er als Innenminister „völlig untragbar“.

De Maiziere wies dagegen den Vorwurf, das Parlament belogen zu haben, entschieden zurück. Es gebe nichts, was diesen Vorwurf rechtfertigen würde, sagte er. Der BND und das Kanzleramt seien kritischen Fragen und Beschuldigungen ausgesetzt, das betreffe auch seine Zeit als Kanzleramtsminister. „Ich stelle mich selbstverständlich dieser Verantwortung und möchte gerne zur Aufklärung des Sachverhalts vollumfänglich beitragen.“ Die Informationen, um die es gehe, stammten allerdings aus Unterlagen, die als geheim oder streng geheim eingestuft seien. „Deshalb bin ich außerstande, mich öffentlich zu diesen Vorwürfen oder Fragen zu äußern.“ Auch Regierungssprecher Steffen Seibert wies den Vorwurf der Linkspartei, die Regierung habe das Parlament belogen, „ausdrücklich“ zurück.

 
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