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Hat die CSU die Kontrolle über ihr Image verloren?
Von Anna Hell und Margit Hufnagel
 |  aktualisiert: 02.04.2019 11:10 Uhr

Es will einfach nicht laufen. Zweieinhalb Monate vor der Landtagswahl sieht sich die sonst so angriffslustige CSU zunehmend in einer ungewohnten Rolle: in der Defensive. Nun versucht die Partei, mit einer für sie eher unkonventionellen Aktion die Stimmung zu drehen. Eine Internet-Kampagne soll die Solidarität nach innen und außen stärken. Unter dem Hashtag #ichbinCSU geben Mitglieder und Funktionäre auf Facebook ein Bekenntnis zur Partei ab. Eine weiß-blaue Bauchbinde ziert die Profile jener, die der Partei emotional den Rücken stärken wollen. Seehofer-Sprecher Jürgen Fischer hat sie in sein Profilbild integriert, Staatsministerin Michaela Kaniber hat sie, und Hunderte andere auch. Auf ihrem Facebook-Auftritt hat die CSU eine Collage aus 52 Fotos gesammelt und mit einem „löwenstark“ gelobt. Es sollte der Versuch eines Befreiungsschlages werden – und geht doch einmal wieder nach hinten los.

Bemüht, verzweifelt und plump

Denn öffentliche Aufmerksamkeit zieht vor allem die Verballhornung der Aktion auf sich. Auf Twitter machen sich Nutzer lustig über das empathische CSU-Bekenntnis. #IchbinCSU – denn ich lege die Bundesregierung aus rassistischen Gründen wochenlang lahm, freue mich über zerstörte Schicksale geflüchteter Menschen und zerstöre gerne die EU. Als harmlosen Vorgeschmack habe ich mir vor Jahren die völlig sinnbefreite Ausländermaut ausgedacht“, schreibt ein User mit dem Nutzernamen Kartoffelsalat. Ein User namens Andreas Schrank kommentiert: „#ichbinCSU – weil mir christliche Werte wie Nächstenliebe, Fürsorge wichtig sind, ebenso der wertkonservative Schutz der Natur und die Unterstützung von Familien ... Moment ... dann bin ich ja gar nicht CSU ... sowas aber auch.“ Der Ärger, der der CSU an der Basis und auf der Straße begegnet ist, breitet sich im Netz aus.

„Die Kampagne wirkt zumindest sehr bemüht und sehr verzweifelt – und auch plump“, erklärt der Social-Media-Experte Felix Beilharz. Der Hashtag #teamCSU hätte womöglich noch funktioniert. Anders sieht es bei einem Schlagwort aus, das viele mit dem Terror von Paris verbinden: #jesuicharlie (ich bin Charlie) wurde weltweit genutzt, um der Trauer um die getöteten Karikaturisten der Zeitschrift Charlie Hebdo ein Symbol zu geben. Ausgerechnet an diesen Hashtag lehnt sich die CSU an. „#ichbinCSU wird dadurch als geschmacklos oder zumindest als unbedacht empfunden“, sagt Beilharz.

Dabei bieten die Sozialen Medien den Parteien eine gute Plattform, um sich zu präsentieren. Die AfD etwa hat erkannt, dass das Netz für ihre Anhängerschaft das perfekte Medium ist, um ungefiltert plakative Botschaften zu senden. „Die Mechanismen von Social Media kommen radikaleren Parteien sehr zugute“, sagt Beilharz. Zwar lernen auch die traditionellen Parteien inzwischen den Umgang mit Sozialen Medien, doch Fehler wie der der CSU zeigen, dass der Lernprozess noch längst nicht abgeschlossen ist.

So sind Kampagnen wie #ichbinCSU hochriskant für traditionelle Parteien, denn die Nutzer durchschauen das Vorgehen meist schnell und ziehen ihre eigenen Schlüsse. „Nervosität passt so gar nicht zum Markenkern der CSU“, sagt Michael Paul, Marketing- und Kommunikationsforscher am Lehrstuhl für Value Based Marketing an der Uni Augsburg. „Die Partei war immer so ein Fels in der Brandung und das ist es, was irritiert.“ Normalerweise würde man in einer Krise Dinge ruhen lassen. Der Universitätsprofessor ist sich sicher: „Die Marke CSU hat ernsthafte Kratzer bekommen.“ In der Markenforschung kennt man das Phänomen unter dem Namen Janus-Effekt: Durch Zuspitzung kann eine Marke Unterstützer an sich binden – aber auch „brand hater“ erzeugen, also Menschen, die die Marke stark ablehnen, ja geradezu hassen.

Voßkuhle kritisiert Wortwahl der Partei

Hat die Partei also die Kontrolle über ihr Image verloren? Zumindest vorübergehend. „Es wird für die CSU sehr schwer werden, bis zum Wahltag von ihrem querulatorischen Ruf wegzukommen“, erklärt der Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld. Sein Rat, um den Zustimmungsverfall und die Erosion der eigenen Basis aufzuhalten: Statt mit oberflächlichen Aktionen solle die CSU besser ein Zukunfts- und Gesellschaftsmodell entwerfen, das die Bindung ihrer Wählerschaft wieder festigen könnte. Davon sei man in der Parteizentrale in München weit entfernt: Im Moment gelte die Partei in breiten Teilen der Bevölkerung als Konflikt- und Querulantenpartei. „Die CSU erlebt derzeit eine Art Deutungsdefizit“, sagt Weidenfeld. Er warnt: „Hektische Aktionsversuche wie nun auf Facebook werden stets nur eine entsprechende Gegenreaktion auslösen.“ Zwar müsse auch eine Traditionspartei wie die CSU in den digitalen Dialog mit ihren Wählern treten – doch das gelinge eben nicht mit „Oberflächendiskussionen“.

Wie schwer es für die CSU ist, die Debatte wieder zu kontrollieren, zeigte eine Einlassung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle. Er kritisierte die Wortwahl der CSU in der Flüchtlingspolitik scharf. Die entsprechende Rhetorik „möchte Assoziationen zum NS-Unrechtsstaat wecken, die völlig abwegig sind“, so Voßkuhle. Seiner Ansicht nach gerät der Rechtsstaat im Zuge der Flüchtlingskrise zunehmend unter Druck. Dies zeige sich vor allem darin, dass rechtliche Regeln mit Erwartungen überzogen würden, die eigentlich politische Antworten erforderten.

 
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