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BERLIN
Hat der Verfassungsschutzpräsident Beweismittel unterdrückt?
Rudi Wais
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 04.07.2016 03:33 Uhr

Der Mann, der Hans-Georg Maaßen den Job kosten kann, ist bereits seit zwei Jahren tot. Im April 2014 starb Thomas Richter, ein einschlägig bekannter Rechtsextremist, im Alter von nur 38 Jahren an den Folgen einer Diabeteserkrankung in seiner Wohnung in Paderborn. Fast zwei Jahrzehnte lang hatte er den Verfassungsschutz zuvor unter dem Decknamen „Corelli“ mit Informationen aus der Szene versorgt und dafür insgesamt fast 30 000 Euro erhalten. Ob er auch von den Aktivitäten der Terrorzelle wusste, die unter dem Namen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) zehn Menschen ermordet hat, ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt – und wird es vielleicht auch nie mehr. Nach einer Serie von Pannen und Versäumnissen im Bundesamt für Verfassungsschutz bröckelt deshalb auch in der Koalition der Rückhalt für dessen Präsidenten.

Immer neue Details ploppen auf

„Ich erwarte von Herrn Maaßen, dass er sich jetzt Gedanken macht, ob er der richtige Mann an der richtigen Stelle ist“, sagt der Obmann der Sozialdemokraten im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Uli Grötsch. Sein Auftrag sei es gewesen, wieder Ruhe in den Dienst zu bringen, stattdessen würden nun jedoch jede Woche neue Details „aufploppen“.

So wurden nach dem Umzug eines Verfassungsschützers in ein neues Büro Ende Mai offenbar eher zufällig in einem Tresor ein Handy und fünf SIM-Karten gefunden, die „Corelli“ benutzt hatte. Außerdem hat der Dienst nach Recherchen des Berliner Inforadios mehrere andere Mobiltelefone des früheren V-Manns noch immer nicht ausgewertet.

Möglichen Hinweisen auf das NSU-Trio in Kurzmitteilungen, in Anruf- oder Kontaktlisten konnten so weder der Untersuchungsausschuss noch ein vom Bundestag eingesetzter Sonderermittler nachgehen.

Die Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Irene Mihalic und Konstantin von Notz werfen inzwischen sogar die Frage auf, ob es sich bei dem Vorgang nicht um eine Straftat handelt – nämlich das bewusste Unterdrücken von Beweismitteln. Bis heute, kritisieren sie in einer gemeinsamen Erklärung, seien im Bundesamt weder organisatorische noch personelle Konsequenzen gezogen worden. Maaßen selbst sagt, er sei regelrecht „explodiert“, als er von den brisanten Funden im Panzerschrank eines Mitarbeiters erfahren habe, der „Corelli“ bis zu dessen Enttarnung 2012 geführt hatte, wie es im Geheimdienstjargon heißt. Später beschaffte der Verfassungsschutz seinem Informanten eine neue Identität und eine neue Bleibe – und hakte den Fall offenbar ab.

Diverse Rücktrittsforderungen

Zum NSU, beteuert Maaßen, habe „Corelli“ keinen Bezug gehabt. Ob das tatsächlich stimmt, sollen nun ein interner Ermittler des Innenministeriums und der frühere Grünen-Abgeordnete Jerzy Montag überprüfen, den der Bundestag gerade ein zweites Mal als Sonderermittler zum Bundesamt nach Köln geschickt hat.

Als Maaßen dort im August 2012 die Nachfolge des zurückgetretenen Heinz Fromm antrat, sollte der Karrierejurist vom Niederrhein eigentlich den NSU-Skandal aufarbeiten und den Dienst neu aufstellen. Zuletzt allerdings fiel der 53-Jährige vor allem durch eine bis dahin nicht gekannte Ruppigkeit auf. Der Linke Andre Hahn spekulierte: „Man hat fast den Eindruck, dass er einen Rauswurf provoziert.“

Selbst in der Union, die Maaßen in Person des damaligen Innenministers Hans-Peter Friedrich an die Spitze des Dienstes befördert hatte, rumort es inzwischen. Ihr Innenexperte Stephan Mayer stimmt zwar nicht in die diversen Rücktrittsforderungen ein. Die Warnung des Abgeordneten aus Altötting, aus der Sache nicht vorschnell einen Skandal zu machen, klingt aber auch nicht gerade wie ein Treueschwur.

 
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