Die Azadi-Sportarena bebte. „Lasst Mussawi und Karroubi frei“, skandierten die 20 000 meist jungen Leute und feierten Hassan Rohani wie einen Helden. Viele Frauen und Männer trugen demonstrativ wieder die grünen Armbänder von 2009, wofür man im Iran noch vor kurzem verhaftet werden konnte. Die meisten aber waren in den violetten Farben des Rohani-Lagers gekommen. „Wir waren grün, aber eure Knüppel haben uns violett gemacht“, hallte es durch das Teheraner Stadion in Anspielung auf die vielen Blutergüsse der Demonstranten von 2009. „Wir wollen eine Regierung, die sich an Recht und Gesetz hält.“
Am Freitag wählt der Iran seinen nächsten Präsidenten. Lange dümpelte der Wahlkampf vor sich hin, doch in der Schlussphase kocht jetzt die politische Stimmung hoch. Alle Kandidaten kämpfen mit harten Bandagen, um ihre Anhänger für kommenden Freitag zu mobilisieren. „Diese Wahl stellt Weichen“, rief Rohani in die tosende Menge und nannte sie eine Entscheidung zwischen Frieden und neuen Spannungen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Iran wieder isoliert wird, wir wollen einen konstruktiven Dialog mit der übrigen Welt.
“ Mit seinen konservativen Konkurrenten ging der 68-jährige Kleriker so scharf ins Gericht, wie kein Reformer mehr seit 2009, als der damalige Kandidat Mir Hossein Mussawi dem amtierenden Mahmud Ahmadinedschad live im Fernsehen vorwarf, er ruiniere das Ansehen Irans in der Welt.
Zweimal nahm Hassan Rohani sogar die Revolutionären Garden aufs Korn, für die Islamische Republik ein unerhörter Tabubruch. „Wenn man eine bessere Wirtschaft will, sollte man nicht Gruppen aus dem Sicherheitsapparat erlauben, sich in der Wirtschaft breitzumachen“, hielt er seinen Kritikern entgegen und spielte damit auf die lukrativen, staatlichen Infrastrukturaufträge an, die die Revolutionären Garden in den letzten Jahren ohne Ausschreibung für sich einstreichen konnten.
Obendrein warf er den Paramilitärs vor, mit ihren demonstrativen Raketentests, bei denen sie „Tod für Israel“ auf die Geschosse aufmalen, das Atomabkommen zu sabotieren. Für die Führung der iranischen Elitegarde war damit die rote Linie überschritten. „Wir empfehlen allen Präsidentschaftskandidaten, sich aus den sensiblen Fragen der Landesverteidigung herauszuhalten und der Bevölkerung keine falschen Informationen zu geben“, schallte es in drohendem Ton zurück.
Sein konservativer Hauptrivale, der Stiftungschef Ebrahim Raeissi, dagegen versuchte, mit einer Fundamentalkritik an Rohanis Wirtschaftskurs und dem Versprechen von milliardenschweren Sozialzahlungen die ärmeren Schichten der 80 Millionen Iraner für sich zu gewinnen.
Wenn keiner der Kandidaten in der ersten Runde die 50 Prozent erreicht, treten die beiden Bestplatzierten eine Woche später zur Stichwahl an. Am Montag zog der Teheraner Bürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf seine Kandidatur zurück, um die Kräfte des Anti-Rohani-Lagers zu bündeln.
Seinen Unterstützern empfahl er, den „verehrten Bruder Raeissi“ zu wählen, um „die Interessen des Volkes, der Revolution und des Landes zu schützen“.
Rohani dagegen beschwor seine Anhänger, er brauche ein stärkeres Mandat, um die Gesellschaft weiter zu liberalisieren. Denn die hochfliegenden Erwartungen der Bevölkerung nach dem Ende der Atomsanktionen haben sich bisher nicht erfüllt. Statt der erwarteten 50 Milliarden Dollar an Auslandsinvestitionen pro Jahr flossen bisher weniger als zwei Milliarden.