Als Hartmut Mehdorn vor etwas mehr als einem Jahr bei der Berliner Flughafengesellschaft anheuerte, waren die Erwartungen groß. Ein Mann aus der ersten Reihe der deutschen Managergilde, ein erfahrener Sanierer, durchsetzungsfähig und mit besten Kontakten in die Politik – sie schienen perfekt zusammenzupassen, der Berliner Pannenflughafen und der frühere Bahn-Chef, der einen Ruf als harter Hund zu verteidigen hatte. „Sie haben mich geholt“, sagte Mehdorn schon an seinem ersten Arbeitstag, „Jetzt müssen sie mich auch aushalten.“
Mit der Korruptionsaffäre, die Berlin seit Anfang der Woche beschäftigt, wachsen allerdings auch die Zweifel an den Managerqualitäten des erfahrenen Managers Mehdorn. Ausgerechnet der von ihm auf den Posten des Technikchefs beförderte Berater Jochen Großmann soll von einem Unternehmen 500 000 Euro Schmiergeld für die Vergabe eines Auftrages verlangt haben.
Mittlerweile ist der 55-Jährige beurlaubt – was in solchen Fällen üblich, für Mehdorn allerdings gleich aus zwei Gründen problematisch ist: Zum einen gibt es kaum jemanden auf der Flughafenbaustelle, der sich mit der komplizierten Brandschutzanlage auch nur annähernd so gut auskennt wie Großmann. Zum anderen wird die Liste der Beurlaubten und Entlassenen immer länger, seit der 71-jährige Mehdorn am Flughafen BER die Geschäfte führt. Großmanns Vorgänger Horst Amann, im Jahr 2012 als Retter in der Not vom Frankfurter Airport geholt, wurde von Mehdorn schon bald auf einen weniger einflussreichen Posten abgeschoben und nach Informationen des Berliner Tagesspiegel inzwischen sogar ganz freigestellt – bei fortlaufenden Bezügen, versteht sich. Ein weiterer Spitzenmanager musste gehen, weil er in einem Brandbrief an den Aufsichtsrat seinem Frust über die vielen Mängel und das schleppende Tempo auf der Baustelle Luft gemacht hatte. Die von ihm selbst eingestellte Planungschefin, eine erfahrene Ingenieurin, suspendierte Mehdorn noch während der Probezeit.
Den Vorwurf, ohne seine vermeintliche Wunderwaffe Großmann könnte es auf dem neuen Flughafen nun noch langsamer vorangehen, weist der Vorstandschef allerdings entrüstet zurück. Das Konzept für die Inbetriebnahme, sagt Hartmut Mehdorn, „steht und fällt nicht mit einem einzelnen Mitarbeiter“. Arbeit und Verantwortung bei der „Mammutaufgabe BER“ verteilten sich auf mehrere Schultern. Einen konkreten Eröffnungstermin nennt er aber nach wie vor nicht.
Dabei war die Situation auch vor den ersten Berichten über einen Korruptionsverdacht auf der größten Baustelle Ostdeutschlands schon verfahren genug. Seit dem Amtsantritt des Neuen, klagt die Berliner Zeitung, habe es dort „nur Gezänk und Misserfolge“ gegeben. Erst schockte Mehdorn viele lärmgeplagte Berliner mit dem Vorschlag, den gegenwärtigen Flughafen in Tegel doch parallel zum neuen Airport weiter zu betreiben, dann kündigte er plötzlich die teilweise Eröffnung des neuen Flughafens im Südosten der Stadt an, um sie wenig später wieder abzusagen. Dass die meisten Aufsichtsräte auch vom Fall Großmann erst aus den Nachrichten erfuhren, dürfte vor allem dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke bestätigen. Er hatte Mehdorn bereits im Februar vor weiteren „Alleingängen“ gewarnt.
Am Montag hat der Aufsichtsrat den Flughafen-Chef zu einer Sondersitzung einbestellt. Es geht, vor allem, um die Hintergründe der Korruptionsaffäre, aber auch um die Frage, ob sich der Weiterbau dadurch noch zusätzlich verzögert. Um seinen Posten muss Mehdorn dabei nicht fürchten – Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit, der Vorsitzende des Gremiums, hält noch immer seine schützende Hand über ihn. Niemand sei gefeit vor kriminellen Handlungen, beschwichtigte der Regierende bereits von Peking aus, wo er in dieser Woche unterwegs ist.
Für den Fraktionschef der Grünen im Bundestag dagegen, den Verkehrsexperten Anton Hofreiter, ist der Fall Großmann nur der berühmte Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen bringt und Mehdorns Entlassung überfällig: „Wowereits Krisenmanager ist gescheitert.“