
Es geht ganz schön schnell mit der Entfremdung. Wo SPD und Grüne im Wahlkampf noch vom gemeinsamen Regieren träumten, sind sie nun Gegner. „Bei den Koalitionsverhandlungen zum Thema Energie sitzt die Kohle-Lobby direkt am Verhandlungstisch“, meint Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt an die Adresse von Nordrhein-Westfalens SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Aufgeschreckt haben Grüne und Umweltschützer Aussagen von Kraft am Wochenende in der „Süddeutschen Zeitung“. „Wichtig ist, dass wir die Industriearbeitsplätze in unserem Land erhalten“, sagt Kraft dort.
Kraft hat aber auch die NRW-Kommunen im Blick, die 25 Prozent der Anteile an Deutschlands zweitgrößtem Versorger RWE halten. Und bei weniger Rendite in den RWE-Kraftwerken weniger Geld in der Kasse haben. Zuvor hatte schon Krafts Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) die Grünen als Koalitionspartner in Düsseldorf in Alarmstimmung versetzt, als er Subventionen für Betreiber fossiler Kraftwerke und eine Drosselung des Ausbautempos bei Wind- und Solarenergie forderte.
Am kommenden Donnerstag tagt im Bundesumweltministerium erstmals die AG Energie. Diese wird von zwei politischen Schwergewichten geleitet: dem amtierenden Umweltminister Peter Altmaier (CDU) – und Kraft. Im August 2012 waren sie gemeinsam bei der Eröffnung der 2,6 Milliarden Euro teuren Blöcke „BoA 2&3“ des Braunkohlekraftwerks Neurath im rheinischen Grevenbroich dabei. Doch gerade die konventionellen Kraftwerke rechnen sich wegen der Ökostrom-Zunahme immer weniger, werden aber zur Abfederung des Atomausstiegs gebraucht. Und neue Kohlekraftwerke verursachen weniger CO2 als alte „Dreckschleudern“.
Lancierte, aber dementierte Informationen, RWE könne den Braunkohletagebau Garzweiler II schon 2018 statt 2045 einstellen, haben die Debatte um Extra-Prämien für fossile Kraftwerke verstärkt. Auf die AG wartet Schwerstarbeit mit viel Lobbydruck. Besonders sorgt Union wie SPD, dass die EU in Kürze Industrierabatte in Milliardenhöhe für energieintensive Unternehmen bei der Ökostrom-Umlage kippen könnte. Auch hier muss nachjustiert werden, denn ganz ohne Rabatte könnte etwa ThyssenKrupp im Ruhrgebiet tausende Jobs abbauen. Während Kraft sich um Industrie und Stromkonzerne sorgt, befürchtet Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ein Aus für Windparks in der Nordsee. Er sitzt auch in der AG. Genauso wie Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der auch um die Braunkohlekraftwerke in der Lausitz kämpft.
Aber es finden sich auch besonders energische Verfechter einer grüneren Energiezukunft in der AG, etwa CSU-Mann Josef Göppel und auf SPD-Seite Nina Scheer, Tochter des verstorbenen Vordenkers für ein globales Umsteuern auf erneuerbare Energien, Hermann Scheer.
So ist längst nicht ausgemacht, dass es einseitige Entscheidungen geben wird, die alte Kohlekraftwerke mit neuen Subventionen am Netz halten. Das Ziel dürfte sein, den mangels Ökostrom-Speichern für die Versorgung gerade im Winter wichtigen Erhalt von Kraftwerken zu sichern, zugleich den Ökostrom-Ausbau weiter zu ermöglichen – und dabei die Strompreise bezahlbar zu halten.