Das Urteil dürfte das definitive Ende der politischen Ambitionen Silvio Berlusconis bedeuten: Am Freitagnachmittag sprach ein Mailänder Gericht den ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten der Steuerhinterziehung schuldig und verurteilte ihn in erster Instanz zu vier Jahren Haft.
Drei davon werden dem früheren Regierungschef aber erlassen. Das Gericht bezog sich dabei auf ein Gesetz zum Straferlass, das 2006 wegen der überfüllten italienischen Gefängnisse beschlossen worden war. Es ist das vierte strafrechtliche Urteil gegen den 76-Jährigen.
Die Richter befanden Berlusconi für schuldig, beim Kauf von Rechten an amerikanischen TV- und Kinofilmen durch seinen Medienkonzern Mediaset in den Jahren 2001 bis 2003 Steuern hinterzogen zu haben. Durch mehrere Offshore-Gesellschaften, die aber auf den Mailänder Unternehmer zurückzuführen sind, seien Rechnungen künstlich aufgeblasen worden. Dieses Geld habe Berlusconi in Schwarzgeldkonten behalten und so fällig gewordene Steuern nicht gezahlt.
Laut Staatsanwaltschaft handelte es sich um über 270 Millionen Euro nicht deklarierte und illegale Einnahmen zugunsten Berlusconis. Er habe die Befehlskette bei dem Steuerbetrug angeführt, argumentierte die Staatsanwaltschaft.
Die Verteidiger des Milliardärs hatten behauptet, Berlusconi habe sich wegen seiner politischen Verpflichtungen nicht detailliert um die Geschäfte seiner Familienholding Fininvest, zu der auch Mediaset zählt, kümmern können. Mit ihm angeklagt waren elf weitere italienische und amerikanische Geschäftsleute, darunter auch sein langjähriger Weggefährte und Mediaset-Funktionär Fedele Confalonieri. Er wurde freigesprochen. Der US-Manager Frank Agrama wurde zu drei Jahren Haft verurteilt.
Die Richter untersagten Berlusconi außerdem die Ausübung öffentlicher Ämter für drei Jahre. Überdies müssen zehn Millionen Euro an den italienischen Fiskus zurückgezahlt werden. Das Urteil wird erst in dritter und letzter Instanz rechtskräftig. Es ist davon auszugehen, dass Berlusconis Anwälte in Berufung gehen, erst nach einem letztinstanzlichen Urteil müsste der Politiker die Haftstrafe auch antreten. Die Taten könnten verjährt sein, bevor es zu einem letztinstanzlichen Urteil kommt.
Berlusconi hatte erst am Mittwoch auf ein Antreten als Spitzenkandidat bei den Parlamentswahlen im April verzichtet. Beobachter schätzen, das Urteil könnte auch Folgen für die Regionalwahl in Sizilien am Sonntag haben. Sie gilt als wichtiger Stimmungstest in Italien.
In der persönlichen Geschichte des Politikers, der 1994 in die Politik ging und auch noch in einem Verfahren wegen der Prostitution Minderjähriger angeklagt ist, bedeutet das Urteil einen schweren Einschnitt. Bislang hatte sich Berlusconi einer Verurteilung meist entziehen können. In 33 Prozessen, die gegen ihn geführt wurden, kam es zu vier Verurteilungen in erster Instanz. Später wurde der Politiker freigesprochen oder er nutzte seine Stellung als Politiker aus. So ließ er etwa gesetzliche Verjährungsfristen verkürzen und setzte auf seine Person zugeschnittene Gesetze durch.
Auch im vorliegenden Fall versuchte sich der dreimalige italienische Ministerpräsident vor der Strafverfolgung mit einem Gesetz zu schützen, das den Trägern der drei höchsten Staatsämter in Italien Immunität zusicherte. Das Verfassungsgericht erklärte das Gesetz 2009 für nicht mit der Verfassung vereinbar. Die Verzögerungen, die das Gesetz im Prozess bewirkte, könnten die Taten aber vor einem letztinstanzlichen Urteil verjähren lassen.
Der damalige Justizminister Angelino Alfano, heute Chef der Berlusconi-Partei „Volk der Freiheit“ bezeichnete das Urteil als „Beweis für die Verbissenheit der Justiz“ gegen Berlusconi. Der Spruch sei „unerwartet und unverständlich“.