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BERLIN
Gysi bremst Wagenknecht aus
Parteitag Die Linke in Bonn       -  Gregor Gysi, Vorsitzender der Europäischen Linken, warb auf dem Parteitag dafür, die EU als Chance zu begreifen.
Foto: Oliver Berg, dpa | Gregor Gysi, Vorsitzender der Europäischen Linken, warb auf dem Parteitag dafür, die EU als Chance zu begreifen.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 02.04.2019 14:57 Uhr

Es ist eine bittere, doppelte Niederlage für Deutschlands prominentestes linkes Politikerpaar: Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine mussten am Wochenende aus der Ferne zusehen, wie sich die Linkspartei erstens von ihrem harten europafeindlichen Kurs verabschiedete. Und zweitens zeigte sich beim Parteitag in Bonn überdeutlich, dass sich die Begeisterung für Wagenknechts Bewegung „Aufstehen“ in engen Grenzen hält.

Es waren vor allem die Bundestagsfraktionsvorsitzende und der Ex-Parteichef aus dem Saarland, die an der Europäischen Union jahrelang kein gutes Haar gelassen hatten. Beim Linken-Parteitag in Bonn waren beide gar nicht dabei, Wagenknecht hatte sich wegen Krankheit entschuldigt.

An EU-Gegnern herrscht in der Partei aber traditionell kein Mangel und die stellten den Antrag, Europa im Parteiprogramm als „militaristisch, undemokratisch und neoliberal“ zu schmähen. Eine Mehrheit fand sich dafür jedoch nicht. Statt dessen einigte sich der Parteitag auf die Forderung nach einem „Neustart für die Europäische Union“. Natürlich müsse die Union in Zukunft deutlich linker werden, doch die „Antikapitalistische Linke“, die die EU am liebsten abgewickelt sähe, konnte sich nicht durchsetzen. Angesichts des Brexits sei es gar Aufgabe der Linken, die EU zu retten, hieß es.

Zur für die Linkspartei außergewöhnlich europafreundlichen Stimmung hatte auch der charismatische Ex-Parteichef Gregor Gysi beigetragen, der dazu aufrief, die EU nicht als Übel, sondern als Chance zu begreifen.

Fast hätte die Linke sich sogar noch weit deutlicher zur europäischen Integration bekannt. Ein Antrag des pragmatischen „Reformer“-Flügels eine „Republik Europa“ zu schaffen, mit einer echten europäischen Regierung, erhielt immerhin 45 Prozent. Nur fünf Prozent hätten also gefehlt, und die Schlappe für Wagenknecht und Lafontaine wäre nicht nur bitter, sondern vernichtend gewesen.

Gegenüber dieser Redaktion sagte Oskar Lafontaine: „Wir sind uns in der entscheidenden Frage einig. Europa muss sozialer werden, damit die Zustimmung zur europäischen Idee wieder wächst.“ Scharf kritisiert der 75-Jährige die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik: „Deutschland muss aufhören, mehr Waren an die europäischen Nachbarn zu verkaufen als es selbst einkauft, weil es sonst Arbeitslosigkeit exportiert. Der deutsche Export-Nationalismus gefährdet den europäischen Zusammenhalt.“

Dass das Thema Europa die Linkspartei weiter spaltet, zeigt sich auch bei der Kür der beiden Spitzenkandidaten für die Europawahl. Özlem Demirel, die 34-jährige Deutsch-Türkin aus Nordrhein-Westfalen, zählt zum europaskeptischen Lager. Dagegen ist Martin Schirdewan Reformer und sitzt bereits im Europaparlament. Beide sind bislang politisch weitgehend unbeschriebene Blätter. Kein Unbekannter ist dagegen Martin Schirdevans Großvater Karl Schirdevan. Er war einst in der DDR ein hoher SED-Funktionär und Stellvertreter von Staats- und Parteichef Walter Ulbricht. Laut Parteichef Bernd Riexinger peilt die Linke bei der kommenden Europawahl ein zweistelliges Ergebnis an, bei der letzten waren es 7,4 Prozent.

Schmerzhaft für Sahra Wagenknecht dürfte gewesen, dass von ihrer „Aufstehen“-Bewegung auf dem Parteitag so gut wie keine Rede war. Ein einziger Delegierter zeigte sich sich einer signalgelben Warnweste, dem Symbol der Gelbwesten-Bewegung, die Wagenknecht als Vorbild sieht. Doch ihr Plan, linke Kräfte jenseits von Parteigrenzen zu einen, geht bislang nicht auf. „Aufstehen“ dümpelt vor sich hin. Selbst Wagenknecht-Ehemann Oskar Lafontaine räumte kürzlich „organisatorische Schwierigkeiten“ ein, es gebe da noch Luft nach oben. Zwar hat die Bewegung nach eigenen Angaben inzwischen rund 170 000 Unterstützer, zu Demonstrationen kommen dagegen nur wenige hundert.

 
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