Erhält US-Präsident Barack Obama doch noch die Chance, das Anti-Terror-Gefängnis Guantánamo zu schließen? Diese Woche werden im Kongress Entwürfe zum Verteidigungshaushalt verhandelt, von denen einer einen entsprechenden Weg öffnen würde. Das teure Lager auf Kuba ist in den vergangenen Monaten wieder vermehrt in die Schlagzeilen gerückt.
Der republikanische Senator John McCain war 2008 Obamas Gegner als Präsidentschaftskandidat, aber die beiden haben eines gemein: Sowohl der ehemalige Kriegsgefangene in Vietnam als auch der heutige Chef im Weißen Haus wollen das Lager so schnell wie möglich schließen. Unmittelbar nach seiner Amtseinführung 2009 hatte Obama bereits angeordnet, den Anti-Terror-Knast innerhalb eines Jahres dichtzumachen. Bürokratische Probleme und eine Blockade durch den Kongress haben das seither verhindert.
Seit die Konservativen auch im Senat die Oberhand haben, ist John McCain Vorsitzender des Militärausschusses, und diese Position will er nun nutzen. Die Opposition ist auf das Thema nicht gut zu sprechen, seit Obama im vergangenen Jahr fünf Insassen gegen den US-Kriegsgefangenen Bowe Bergdahl ausgetauscht hat. Eine Vorlage aus dem Repräsentantenhaus will deshalb neue Kriterien für den Transfer von Häftlingen festschreiben. Eine Schließung des Lagers würde in weite Ferne rücken.
Teures Hochsicherheitsgefängnis
Beim Transfer in andere Länder sieht auch McCains Entwurf erschwerte Bedingungen vor. Wenn die Regierung einen Plan zur Schließung des Lagers vorlegt, soll der Kongress ihn aber begutachten müssen. Bei einer Genehmigung könnten die verbleibenden Gefangenen dann für Prozesse oder zur Inhaftierung aufs amerikanische Festland gebracht werden.
Die derzeitige Verwahrung kostet mit knapp drei Millionen Dollar pro Person und Jahr zwischen 50- und 100-mal so viel wie in einem Hochsicherheitsgefängnis in den USA.
Die zuständigen Ausschüsse wollen noch in dieser Woche einen Kompromiss finden, über den dann bis zur Sommerpause abgestimmt würde. Sollten die entscheidenden Passagen erhalten bleiben, könnte der Kongress Pläne aus dem Weißen Haus nach der Begutachtung natürlich trotzdem ablehnen. Ein anonymer Regierungsvertreter bezeichnete McCains Vorstoß gegenüber dem „Politico“ dennoch als „unsere beste Chance“. Umso unverständlicher scheint vielen, dass das Verteidigungsministerium trotz mehrfacher Ankündigung immer noch kein Konzept vorgelegt hat.
Von den ursprünglich mehr als 750 Guantánamo-Gefangenen sind heute noch 116 inhaftiert. Anfang Juni untersagte ein Berufungsgericht in Washington den Militärkommissionen, Häftlinge abzuurteilen, die nicht wegen Kriegsverbrechen angeklagt sind. Wo sich solche Verbrechen nicht nachweisen ließen, waren Ankläger bislang auf kriminelle Vergehen wie Verschwörung oder Unterstützung von Terrorismus ausgewichen. Nun bleiben den Militärkommissionen kaum noch Fälle.
Der Glaube an die zähen Prozesse ist ohnehin erschüttert, seit im Frühjahr 14 000 Fotos aus ehemaligen CIA-Geheimgefängnissen auftauchten – mehr als drei Jahre nach Beginn der Verfahren gegen die mutmaßlichen Topterroristen um Khalid Scheich Mohammed.
Regierung Obama unter Druck
Anfang Juli hatte eine Untersuchung ergeben, dass die größte Psychologenorganisation der USA nach dem 11. September 2001 Ethikrichtlinien erließ, die extra so abgefasst waren, dass Mitglieder die Verhörpraxis der CIA unterstützen konnten. Auch die Regierung Obama steht unter Druck: Mitte des Monats erklärte eine Washingtoner Richterin, sie habe genug von den „unseriösen“ Versuchen des Verteidigungsministeriums, ihr neun Monate altes Urteil zu umgehen: Trotz erbitterten Widerstands muss das Pentagon das Video einer der angeblich humanen Zwangsernährungen in Guantánamo öffentlich machen. Für die Anonymisierung abgebildeter Militärs hat es nun nur noch wenige Wochen Zeit.