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Grüß Gott in Bayern
G7-Gipfel: Die Staatsgäste aus den sieben wichtigsten Industrienationen sind in Elmau, der derzeit sichersten Einöde der Republik, eingetroffen. Bei Bier und Weißwürsten zelebrieren Merkel und Obama erst einmal die deutsch-amerikanische Freundschaft.
G7-Gipfel       -  Sieben plus zwei im Gipfelglück: Zum Gruppenbild haben sich in Elmau getroffen (von links) Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rates, Japans Ministerpräsident Shinzo Abe, Kanadas Premierminister Stephen Harper, US-Präsident Barack Obama, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande, Großbritanniens Premierminister David Cameron, Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Tusk und Juncker sitzen kraft Amtes mit am Tisch und nicht deshalb, weil ihre Länder zu den führenden Industrienationen der Welt gehören.
Foto: Michael Kappeler, dpa | Sieben plus zwei im Gipfelglück: Zum Gruppenbild haben sich in Elmau getroffen (von links) Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rates, Japans Ministerpräsident Shinzo Abe, Kanadas Premierminister Stephen Harper, ...
reda
 |  aktualisiert: 07.06.2015 19:47 Uhr

Gruss Gott.“ Das „ü“ kommt ihm zwar noch nicht so richtig über die Lippen, aber für einen Amerikaner, der zum ersten Mal überhaupt in Bayern ist, schlägt Barack Obama sich schon ziemlich wacker. Selbst den Nachnamen des Bürgermeisters von Krün, der ihn gerade auf dem kleinen Platz vor dem Rathaus begrüßt hat, hat der US-Präsident schon in seinem Repertoire. „Schwohr-zen-böhr-ger.“ Nur eine Lederhose, schmunzelt er, die habe er leider nicht dabei. „Aber vielleicht kann ich mir hier ja noch eine kaufen“ – eine „Lädderhose“.

In dem eigens aufgebauten Biergarten vor dem Präsidenten sitzen Frauen im Dirndl und Männer in der Krachledernen in der Vormittagssonne. Krün im Landkreis Garmisch-Partenkirchen: Das ist das Bayern, das Touristen sich etwas klischeehaft vorstellen, wenn sie Deutschland besuchen, das Bayern, in dem die Pensionen noch „Alpenruh“ heißen und „Dahoam“ und die Gebirgsschützen so selbstverständlich zum Dorf gehören wie der Fußballverein. Es ist aber auch das Bayern von Menschen wie Alois Kramer, einem örtlichen Landwirt, der Agrarwissenschaften studiert und eine Weile auf einer Milchviehfarm im US-Bundesstaat Vermont gearbeitet hat. Als Obama sich für ein paar Minuten zu ihm an den Tisch setzt, entwickelt sich schnell ein polyglottes Gespräch über die Probleme der Bauern im Allgemeinen und die des ländlichen Raumes im Besonderen. Freundlich und warmherzig habe Obama auf ihn gewirkt, sagt der 45-Jährige später. Und fügt grinsend hinzu: „Aber natürlich haben wir noch nicht alle Probleme der Welt gelöst.“

Das maßen sich auch die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen nicht an, deren Gipfeltreffen zwei Stunden später im nahegelegenen Schloss Elmau beginnt, hermetisch abgeriegelt und mit einer Tagesordnung, die eine ganze Woche füllen würde: Sie reicht von der Lage in der Ukraine über den Klimaschutz bis zum Kampf gegen den Terrorismus.

So nahe wie in Krün kommen die Menschen den Großen und Mächtigen an den beiden Gipfeltagen nicht mehr – entsprechend groß ist der Andrang, zumal die Bundesregierung auch noch Bier und Brezen für alle spendiert. Bereits kurz nach sieben Uhr warten die ersten Neugierigen auf die Kanzlerin und Obama, obwohl der gerade erst in München gelandet ist und sich nach dem Empfang durch den Ministerpräsidenten und dem kurzen Flug nach Elmau erst noch frisch machen muss für einen Auftritt, den kein Tourismusmanager besser hätte inszenieren können: Barack in Bayern.

Vor der prächtigen Kulisse der Werdenfelser Alpen erzählt Obama von den Reizen des Freistaats, als sei er gerade von Horst Seehofer höchstselbst zum Bayern-Botschafter ernannt worden. Er schwärmt vom Oktoberfest, das leider nicht zeitgleich mit dem Gipfel stattfinde, vom bayerischen Bier und von dem netten kleinen Ort, in den die Kanzlerin ihn gerade gelotst hat. Auch wenn das Weißbier, das sie beide trinken, alkoholfrei ist – eines, immerhin, nimmt Obama mit auf den Gipfel nach Elmau und später nach Hause in die USA. Der mächtigste Mann der Welt weiß jetzt, wie der Bayer fachgerecht eine Weißwurst verspeist. Angela Merkels Ehemann Joachim Sauer hat es ihm in Krün gezeigt – ein Preuße, ganz nebenbei.

Bayerisches Kulturgut habe sie Obama zeigen wollen, sagt die Kanzlerin, für die Krün vor allem eines ist: „Ein schönes Stück Deutschland.“ Saftige grüne Wiesen, dahinter die Berge: Mehr Idylle war selten bei den Gipfeln der vergangenen Jahre. Das Bild von der Kanzlerin und ihren Gästen, die winkend in einer Blumenwiese vor Elmau stehen, steht dem von den Großen und Mächtigen im Strandkorb von Heiligendamm in seiner Symbolhaftigkeit in nichts nach. Nicht einmal die Spionageaffäre, die Deutsche und Amerikaner gerade so beschäftigt, soll den Gipfelfrieden stören. In Krün begrüßt die Kanzlerin den Präsidenten wie einen alten Kumpel: Küsschen links, Küsschen rechts. Trotz mancher Meinungsverschiedenheiten, beteuert sie, „sind die Vereinigten Staaten unser Freund“. Obama, mit dem sie sich später noch zu einem kurzen, vertraulichen Gespräch zurückzieht, sieht das ähnlich. 70 Jahre nach Kriegsende, sagt er, sei die Freundschaft zwischen Deutschen und Amerikanern „eines der stärksten Bündnisse, die die Welt je hatte.“

Die Sorge, dass der Gipfel von einer ähnlichen Orgie der Gewalt gestört werden könnte wie im März die Eröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, hat sich da längst als unbegründet erwiesen. Anton Speer, der Landrat des Landkreises Garmisch-Partenkirchen, sitzt am Samstag jedenfalls ziemlich entspannt in Janker und Lederhose in seinem Amt und staunt noch immer, was für ein „Weltspektakel“ da über seine Heimat hereingebrochen ist. „Wir wollen ein guter Gastgeber sein“, sagt er – und das nicht nur für die Großkopferten in Elmau, sondern auch für die mehr als 1000 Gipfelgegner, die auf zwei Wiesen an der Loisach ihre Zelte aufgeschlagen haben und mit denen der Landrat so selbstverständlich im Gespräch ist wie mit der Polizei.

Die ersten Demonstrationen am Freitagabend sind vielleicht auch deshalb friedlicher als erwartet verlaufen. Ein Autonomer hat einen Suppenteller nach einem Polizisten geworfen, ein junger Kurde eine Flagge der verbotenen Arbeiterpartei PKK geschwenkt. Dazu noch ein Panzer aus Pappe, den jemand angezündet hat, und das eine oder andere beschlagnahmte Messer: Mehr passiert zunächst nicht.

Auch die große Demonstration am Samstag, bei der die Polizei ursprünglich mit bis zu 10 000 Teilnehmern gerechnet hat, schleppt sich etwas träge und mit deutlich weniger Protestierern durch die Stadt. Verglichen mit den Straßenschlachten, die sich Gipfelgegner in der Nähe von Heiligendamm mit der Polizei geliefert haben, fallen die Proteste in Garmisch reichlich handzahm aus; nur einmal müssen die Polizeibeamten etwas energischer einschreiten. Offenbar hätten einige Randalierer sich hitzefrei genommen, grinst Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer. „Alles im Griff“, sagt er, „alles gut.“ Ein paar Meter weiter sitzt eine junge Frau schon erschöpft am Straßenrad, ehe der Zug sich überhaupt in Bewegung setzt. „Für uns ist es Heimat“, hat sie auf ihr T-Shirt geschrieben. „Für Euch ist es Kulisse.“

Vom Camp der Gegner sind es noch mehr als zehn Kilometer nach Elmau, der gegenwärtig sichersten Einöde der Republik. Als der offizielle Teil des Gipfels dort am frühen Nachmittag mit einer Diskussion über die Lage der Weltwirtschaft und das transatlantische Handelsabkommen beginnt, ist vieles von den Unterhändlern der großen Sieben, den sogenannten Sherpas, zwar schon vorbesprochen und vorbereitet – den Reiz des Treffens aber mindert auch die Vorhersehbarkeit seiner Ergebnisse nicht. Anders als bei vielen anderen Gipfeln, dem der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer zum Beispiel, sei die Stimmung in Elmau ungezwungener und unkomplizierter, sagt einer aus Angela Merkels Mannschaft. „Hier liest niemand vom Blatt ab.“

Für Obama, den neuen Bayern-Fan, hat sich die Reise schon jetzt gelohnt. Nach dem Vorprogramm in Krün ist der 53-Jährige sich sicher: „Weißwurst und Bier – das geht immer.“ Alois Kramer, dem weltläufigen Bauern, hat er versprochen, wiederzukommen – nicht als US-Präsident, sondern als Urlauber mit Frau und Töchtern.

G7-Gipfel 2015 - Proteste       -  Polizisten in Garmisch am Rande einer Demonstration.
Foto: Christian Charisius, dpa | Polizisten in Garmisch am Rande einer Demonstration.
G7-Gipfel       -  Den US-Präsidenten bannen Anwohner in Krün aufs Bild.
Foto: Tobias Hase, dpa | Den US-Präsidenten bannen Anwohner in Krün aufs Bild.
G7-Gipfel 2015 - Proteste       -  Demonstranten gegen das G7-Treffen vor der Kulisse der Zugspitze.
Foto: Charisius, dpa | Demonstranten gegen das G7-Treffen vor der Kulisse der Zugspitze.
 
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