Gegen wen er antritt, das weiß Fritz Kuhn noch nicht. CDU und die SPD haben ihre Kandidaten für die Wahl des Stuttgarter Oberbürgermeisters im Oktober noch nicht nominiert. Der Bewerber der Grünen dagegen schafft bereits Fakten. Kuhn, in Memmingen aufgewachsen und einer der profiliertesten Köpfe der Partei, hat sein Amt als stellvertretender Fraktionschef im Bundestag niedergelegt, um mehr Zeit für den Wahlkampf in Stuttgart zu haben. Die Stadt, sagt der 56-Jährige, sei reif für einen grünen OB. Im Gemeinderat stellt seine Partei bereits jetzt die stärkste Fraktion.
Fritz Kuhn: Nein, keineswegs. Für mich wäre es eher eine Heimkehr. Ich habe lange in Stuttgart gelebt, hier habe ich meine Frau kennengelernt, unsere Kinder sind dort geboren. Als die Anfrage kam, als Oberbürgermeister zu kandidieren, habe ich das mit meiner Familie besprochen und zugesagt. Es ist eine tolle Herausforderung, die ich gerne annehme.
Kuhn: Es gibt wechselseitige Verletzungen, das stimmt. Ich sehe das allerdings ganz gelassen. Die SPD hat Rezzo Schlauch verhindert und Boris Palmer hat nicht für Ute Kumpf votiert. Wenn Sie so wollen, steht es jetzt unentschieden. Nun kann man sich überlegen, ob auch unsere Enkel diese Auseinandersetzungen noch führen sollen oder ob wir in Zukunft vernünftig zusammenarbeiten. Ich stehe jedenfalls für Vernunft, und da wir inzwischen auf Landesebene miteinander regieren, werden wir uns hoffentlich auch in der Landeshauptstadt vertragen.
Kuhn: Ich denke, dass das klug wäre.
Kuhn: Das lag vor allem an den Umständen, die wir gerade besprochen haben. Stuttgart ist reif für einen grünen Oberbürgermeister, da die Stadt im Prinzip die gleichen Fragen umtreiben wie uns: In welchem Verhältnis stehen Ökologie und Ökonomie zueinander? Wie kann man beides miteinander verbinden, beim Verkehr, bei der Energie, bei der Materialtechnik? Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben: das ist die Politik, für die ich seit vielen Jahren arbeite und die Stuttgart seinen Wohlstand einmal sichern wird.
Kuhn: Ja, Stuttgart ist lebenswerter geworden, kulturell vielfältiger und auch urbaner. Die Stadt hat sich geöffnet, das Trottoir wird nicht mehr so früh hochgeklappt. Als Oberbürgermeister würde ich versuchen, die Stadt konsequent der Nachhaltigkeit zu verpflichten: wirtschaftlich, ökologisch, sozial. Außerdem will ich die Bürger besser beteiligen. Die Lehre aus Stuttgart 21 ist doch die: Bevor etwas Größeres geplant und beschlossen wird, müssen die Bürger gefragt und gehört werden. Das ist moderne Demokratie.
Kuhn: Natürlich gibt es viele, die jetzt enttäuscht sind, dass der Bahnhof trotz des großen Widerstandes gebaut wird. Um deren Vertrauen werbe ich. 1996 habe ich als Fraktionschef im Landtag die erste Rede gegen das Projekt gehalten und vorgeschlagen, mehrere Alternativen gleichzeitig zu prüfen. Mit diesem Verfahren hätte man sich viel Ärger sparen können.
Kuhn: Konstruktiv und kritisch. Die Mehrheit der Bürger war gegen einen Ausstieg aus Stuttgart 21, das habe auch ich zu akzeptieren. Trotzdem gäbe es für einen grünen Oberbürgermeister noch viel zu tun. Die Bahn ist dafür bekannt, dass die Kosten gerne über den vereinbarten Rahmen hinaus steigen. Hier würde ich ihr auf jeden Fall kritisch auf die Finger sehen.
Kuhn: Ich glaube, dass ich auch das Vertrauen dieser Menschen gewinnen kann. Bei Bürgermeisterwahlen werden Personen gewählt und nicht Parteien. Im Übrigen gibt es viele Leute, die nicht nur über Stuttgart 21 reden wollen, sondern über die ganze Stadt. In Stuttgart hat sich vieles zum Positiven verändert, das heißt aber nicht, dass man es nicht noch besser machen kann.
Fritz Kuhn
Der Politiker wurde 1955 in Bad Mergentheim geboren und wuchs in Memmingen auf. Nach dem Studium der Germanistik und Philosophie war er Wissenschaftlicher Assistent und von 1989 bis 1992 Professor für Kommunikation an der Merz-Akademie in Stuttgart.
Zunächst war Kuhn Mitglied der SPD. 1980 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Grünen in Baden-Württemberg. Von 1984 bis 1988 und von 1992 bis 2000 war er Fraktionsvorsitzender im Landtag. Seit 2002 ist er Bundestagsabgeordneter. 2002 bis 2005 war er Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, ab 2005 Außenpolitischer Sprecher der Fraktion und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Im Sommer 2005 war er Wahlkampfmanager der Grünen für den Bundestagswahlkampf und von 2005 bis 2009 Fraktionsvorsitzender im Bundestag und seit 2009 bis vor Kurzem stellvertretender Fraktionschef.