Auch in der politischen Sommerpause kommen die Grünen nicht zur Ruhe. In einem Brief an den Bundesvorstand beklagt sich eine Gruppe grüner Frauen jetzt massiv über die Art und Weise, wie die Partei über die Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl diskutiert. Genauer gesagt: die grünen Männer.
Dass Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckart als Mitfavoritin für den prestigeträchtigen Posten gehandelt wird, ist schließlich vor allem einem zu verdanken: Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Um ein linkes Spitzenduo aus Jürgen Trittin und Claudia Roth zu verhindern, hat er eine Kandidatur der Theologin aus Thüringen ins Spiel gebracht. Für viele ihrer Anhängerinnen allerdings diente die Aktion in erster Linie dazu, eine Schwäche der grünen Männer zu kaschieren: Weil der Parteivorsitzende Cem Özdemir es offenbar nicht wagt, als Frontmann des Realo-Flügels gegen Trittin anzutreten, soll eine Reformerin der populären Parteichefin Claudia Roth die Spitzenkandidatur streitig machen. Viele Grüne halten dabei Özdemir für den Drahtzieher hinter Palmers Vorstoß.
„Wir Frauen werden nicht akzeptieren, dass offenbar einige wenige Männer in unserer Partei glauben, Personalvorschläge auf Kosten von Frauen machen zu können“, heißt es in einem Brief von elf Abgeordneten an den Bundesvorstand der Partei, der unserer Zeitung vorliegt und sinnigerweise mit „Dear Boys“ überschrieben ist. Die Grünen sollten froh sein, dass es in ihren Reihen mehrere Frauen gebe, die für eine Spitzenkandidatur in Frage kämen, während es offenbar nur einen Mann gebe, der dafür im Gespräch sei – Jürgen Trittin.
Steckt hinter dem Flügelstreit auch noch ein grüner Geschlechterkrieg? „Ich bin genervt“, sagt die Neu-Ulmer Abgeordnete Ekin Deligöz, die die Protestnote mitunterschrieben hat. Frauen wie Katrin Göring-Eckart oder Renate Künast stünden für bestimmte Inhalte und nicht nur für grünes Proporzdenken. Wo auch immer sie in den vergangenen Wochen bei Grünen-Veranstaltungen unterwegs gewesen sei, sagt die 41-Jährige, überall habe sie das Gleiche gehört: „Hört auf mit diesen Personalquerelen.“
Entsprechend deutlich werden Ekin Deligöz, die frühere Fraktionsvorsitzende Krista Sager, die baden-württembergischen Abgeordneten Kerstin Andreae und Birgitt Bender und ihre Mitstreiterinnen in ihrem Brief: „Autokratische Ausrufungen entsprechen nicht unserem Demokratieverständnis. Personalpolitik in Hinterzimmern führt zu keinen konstruktiven Ergebnissen.“ Wie ursprünglich verabredet, solle der Bundesvorstand Anfang September einen Vorschlag für die Spitzenkandidatur formulieren. Bewerben sich mehr als zwei Grüne dafür , ist unter anderem eine Urwahl durch die Mitglieder denkbar – oder ein Verzicht auf die geplante Doppelspitze zugunsten eines größeren Teams.
Dass Katrin Göring-Eckart eine gute Spitzenkandidatin wäre, bezweifelt keine der Unterzeichnerinnen. Durch Palmers voreilige Ausrufung allerdings sind ihre Chancen nicht unbedingt gestiegen.