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Große Koalition – große Langeweile
Am Donnerstag im Bundestag: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Foto: dpa | Am Donnerstag im Bundestag: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 30.01.2014 19:31 Uhr

Michael Fuchs ist ein Politiker, wie Journalisten ihn lieben. Immer für einen kritischen Satz über die eigene Partei gut, im Umgang mit der Opposition nicht zimperlich und obendrein ein Mann mit Prinzipien. Die Kernkraft verteidigte der CDU-Abgeordnete aus Koblenz noch, als die Kanzlerin längst auf Ausstiegskurs war, und auch mit dem Mindestlohn der SPD kann der Wirtschaftsexperte Fuchs sich, anders als sie, bis heute nicht anfreunden. Nur weil der Mainstream in eine andere Richtung zeigt, ändert er seine Meinung noch lange nicht. Oder soll man sagen: Änderte?

Der Fuchs, der an diesem Donnerstag in der Wirtschaftsdebatte des Bundestages redet, hat mit dem streitbaren Fuchs, den das politische Berlin bis dahin kannte, jedenfalls nicht mehr viel gemeinsam, so handzahm wie der neuerdings klingt. „Ich hätt' ja auch nicht gedacht“, sagt der 64-Jährige und dreht sich kurz hinüber zur Regierungsbank, wo Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sitzt, „dass ich mal hier stehe und Sie verteidige.“ Aber so änderten sich die Zeiten und das Leben eben: „Ich helf' jetzt mit.“

Mit der neuen Mehrheit ist in den Bundestag auch eine neue Harmonie eingezogen. Die Kanzlerin siezt Sigmar Gabriel zwar noch, mit Agrarminister Hans-Peter Friedrich von der CSU aber duzt der SPD-Chef sich inzwischen ebenso wie sein bayerischer Landesvorsitzender Florian Pronold es mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt tut, dem früheren Generalsekretär der Christsozialen.

Auch der dritte Minister aus Bayern hat seit dieser Woche einen neuen Fan bei den Sozialdemokraten: Deren entwicklungspolitische Sprecherin Bärbel Kofler hätte dem CSU-Mann Gerd Müller nach seinem Auftritt im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am liebsten einen Aufnahmeantrag der SPD in die Hand gedrückt, so sehr habe der sich von der Politik seiner Vorvorgängerin Wieczorek-Zeul inspirieren lassen, der roten Heidi. „Aber was nicht ist“, grinst die Kollegin Kofler, „kann ja noch werden.“

Der neuen Harmonie aber, so scheint es, folgt auf dem Fuße schon eine neue Lethargie. Ausschusssitzungen und Bundestagsdebatten sind in der Regel nichts für rhetorische Feinschmecker, weil jedes Argument sich irgendwann wiederholt und längst nicht in jedem Abgeordneten auch ein guter Redner steckt. So ermüdend monoton wie im Moment jedoch hat sich das Parlament schon lange nicht mehr durch seine Tagesordnungen gequält.

Selbst Abgeordnete der Regierungsfraktionen wie die Nördlinger SPD-Frau Gabriele Fograscher fragen sich nach den ersten Sitzungswochen, ob mit der Großen Koalition im Bundestag nun die große Langeweile ausbricht. Angesichts der ausschweifenden Wortbeiträge von Schwarz und Rot und der knappen Redezeiten für die Opposition, sagt sie, „ist das Prinzip von Rede und Gegenrede ja nicht mehr gewahrt“. Ihre Parteifreundin Marianne Schieder aus der Oberpfalz drückt es noch deutlicher aus: Wenn sich nichts ändere, warnt sie, „führt uns das in die Verödung“. Drei Tage lang diskutiert der Bundestag in dieser Woche über die Regierungserklärung der Kanzlerin und die Antrittsreden ihrer Minister, was es in dieser langatmigen Form so noch nicht gegeben hat und auch hartgesottenen Parlamentariern einiges abverlangt.

Acht von zehn Abgeordneten des Bundestages kommen aus der Union oder der SPD. Dieses erdrückende Übergewicht sichert der Koalition nicht nur acht von zehn Redeminuten im Plenum, auch im parlamentarischen Alltag stehen die Oppositionsfraktionen häufig auf einsamem Posten. Im Ausschuss für Arbeit und Soziales etwa, der jetzt die Rentenreformen von Andrea Nahles beraten muss, können die Regierungsfraktionen diese Arbeit auf insgesamt 33 Mitglieder verteilen.

Bei Grünen und Linken dagegen müssen sich jeweils vier Abgeordnete durch den gleichen Berg an Papier wühlen. Im Verkehrsausschuss ist ein Platz deshalb noch gar nicht besetzt: Bei der Linkspartei hat sich bisher kein Abgeordneter gefunden, der sich noch einen weiteren Ausschuss aufhalsen will. Ein SPD-Mann spottet deshalb schon: „Wenn es zu langweilig wird, machen wir die Opposition auch noch mit.“

Einer der wenigen Abgeordneten, die die Geduld ihrer Kollegen an diesem Vormittag nicht überstrapazieren, ist der CSU-Mann Andreas Lenz, einer der vielen Neulinge, die gerade zum ersten Mal vor dem Parlament stehen. Der 32-Jährige hat seine Redezeit nicht ganz ausgenutzt, wofür ihm Sitzungsleiterin Petra Pau von der Linkspartei ausdrücklich dankt. Viel gewonnen aber ist damit nicht und für die Opposition schon gar nicht. Wenig später spricht der frühere Forschungsminister Heinz Riesenhuber von der CDU genau die zwei Minuten länger, die Lenz dem Parlament gerade erspart hat.

 
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