Jetzt wird es eng für Giorgos Papakonstantinou, den früheren griechischen Finanzminister: Dem 52-Jährigen droht ein Strafverfahren wegen Amtsmissbrauchs, Untreue und Urkundenfälschung. Bei einer Verurteilung muss er mit mehreren Jahren Haft rechnen. Papakonstantinou wird beschuldigt, die sogenannte „Lagarde-Liste“, eine Steuer-CD mit den Namen griechischer Kontoinhaber in der Schweiz, manipuliert zu haben, um Verwandte vor der Steuerfahndung zu schützen.
Papakonstantinou war von 2009 bis 2011 Finanzminister im Kabinett des Sozialisten Giorgos Papandreou. In dieser Eigenschaft war Papakonstantinou maßgeblich an der Aushandlung des ersten Griechenland-Rettungspakets beteiligt, zu dessen Vorgaben auch Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung gehörten.
Im Oktober 2010 übergab ihm seine damalige französische Amtskollegin Christine Lagarde eine CD mit den Daten von mehr als 2000 Griechen, die Konten bei der Genfer Niederlassung der Großbank HBC unterhielten. Die Franzosen hatten das Material einem Mitarbeiter der Bank abgekauft.
Obwohl die Daten vor dem Hintergrund der Finanzkrise und der zunehmenden Kapitalflucht eigentlich für die griechische Steuerfahndung höchst interessant waren, passierte zunächst nichts. Die CD verschwand irgendwo. Papakonstantinou erklärt, er wisse nichts über deren Verbleib. Er habe den Datenträger einem Mitarbeiter anvertraut – wem, wisse er nicht mehr. Lediglich ein USB-Stick mit den Daten tauchte 2011, nach Papakonstantinous Ausscheiden aus dem Ministeramt, wieder auf.
Aber weil es Zweifel an der Echtheit dieser Kopie gab, forderte der heutige Finanzminister Giannis Stournaras im Herbst 2012 in Paris den Datensatz erneut an. Ein Vergleich der Originaldaten mit der USB-Kopie ergab Diskrepanzen: Während die ursprüngliche Lagarde-Liste 2062 Namen enthielt, waren es auf der Kopie nur 2059. Bei den drei fehlenden Namen handelt es sich um zwei Cousinen von Ex-Finanzminister Papakonstantinou sowie einen ihrer Ehemänner. Es geht um Guthaben von 1,22 Millionen Euro.
Vorwürfe nicht verjährt
Papakonstantinou beteuert, er habe die Namen nicht entfernt. Im vergangenen Juli hob das Parlament seine Immunität auf. Der Politiker berief sich darauf, die Vorwürfe seien verjährt, weil seither zwei Parlamentswahlen stattgefunden hätten – in Griechenland können Minister für Vergehen im Amt nur in der darauffolgenden Legislaturperiode zur Rechenschaft gezogen werden. Ein fünfköpfiges Richtergremium, das darüber am Wochenende am Areopag, dem Obersten Gerichtshof, beriet, ließ dieses Argument aber nicht gelten. Die zwischen den Wahlen vom Mai und Juni 2012 liegende Zeitspanne könne nicht als Legislaturperiode gelten, weil das Parlament damals nur einmal zusammengekommen war, um sich sofort wieder aufzulösen.
Damit kann das Ermittlungsverfahren gegen Papakonstantinou jetzt beginnen. Kommt es zur Anklage, wovon Beobachter ausgehen, muss sich der frühere Minister vor einem Sondergericht verantworten.