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ATHEN
Griechenland steht vor Neuwahlen
Niederlage: Der griechische Premier Antonis Samaras nach dem Scheitern des Präsidentschaftskandidaten Stavros Dimas.
Foto: Aris Messinis, afp | Niederlage: Der griechische Premier Antonis Samaras nach dem Scheitern des Präsidentschaftskandidaten Stavros Dimas.
Gerd Höhler
Gerd Höhler
 |  aktualisiert: 29.12.2014 22:21 Uhr

Das Krisenland Griechenland steht vor neuen Turbulenzen. Der frühere EU-Kommissar Stavros Dimas ist am Montag im griechischen Parlament mit seiner Kandidatur für das Präsidentenamt auch im dritten Anlauf gescheitert. Damit muss nun laut Verfassung das Parlament aufgelöst werden. Premierminister Antonis Samaras will an diesem Dienstag Staatspräsident Karolos Papoulias aufsuchen und ihm Neuwahlen am 25. Januar vorschlagen. „Das Land hat keine Zeit zu verlieren“, sagte Samaras in einer Fernsehansprache. Der vorgezogene Urnengang könnte die europakritische Linke in Athen an die Macht bringen.

Wie im zweiten Wahlgang vor sechs Tagen erhielt der konservative Dimas, der von den beiden Regierungsparteien nominiert worden war, nur 168 der 300 Stimmen. Für eine Wahl zum Staatsoberhaupt hätte er laut Verfassung mindestens eine Dreifünftelmehrheit, also 180 Stimmen erzielen müssen.

Als wahrscheinlicher Sieger der bevorstehenden Neuwahl gilt das Bündnis der radikalen Linken (Syriza). Die Partei führt in allen Meinungsumfragen, wobei ihr Vorsprung gegenüber der konservativen Nea Dimokratia (ND) von Ministerpräsident Antonis Samaras allerdings in jüngsten Erhebungen auf 2,5 Prozentpunkte zusammengeschmolzen ist. Syriza-Chef Alexis Tsipras sprach nach der gescheiterten Präsidentenwahl von einem „historischen Tag für die griechische Demokratie“. Er will den Sparkurs und die Reformpolitik beenden, die in den vergangenen Jahren gekürzten Löhne und Renten auf das Vor-Krisenniveau erhöhen sowie neue Sozialleistungen verteilen. Außerdem will Tsipras den größten Teil der griechischen Staatsschulden streichen. Das könnte zu einem Bruch mit der EU und zum Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone führen.

Premierminister Samaras gab sich mit Blick auf die bevorstehenden Neuwahlen zuversichtlich: „Es ist an der Zeit, dass das griechische Volk das tut, was das Parlament nicht getan hat – die Unsicherheit beenden und die Stabilität wiederherstellen.“ Samaras sagte, man stehe kurz davor, die Krise endgültig hinter sich zu lassen: „Ich werde es nicht zulassen, dass irgendjemand den Platz Griechenlands in Europa infrage stellt.“

Die Aussicht auf vorzeitige Parlamentswahlen und einen Syriza-Sieg ließ die Athener Börse am Montag um bis zu elf Prozent abstürzen. Die Kurse der griechischen Staatsanleihen, die schon in den vergangenen Wochen wegen der politischen Unsicherheiten unter Druck kamen, gingen erneut auf Talfahrt. Spiegelbildlich stieg die Rendite des zehnjährigen Bonds auf 9,52 Prozent.

Auch die meisten Börsen in Europa gaben als Reaktion auf die gescheiterte Präsidentenwahl und einen möglichen Machtwechsel in Athen, der die Euro-Krise wieder aufleben lassen könnte, deutlich nach.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) setzt seine Notkredite für Griechenland bis zur Bildung einer neuen Regierung aus. Die nächste Kredittranche könne erst ausgezahlt werden, wenn nach der für Januar geplanten Neuwahl eine neue Regierung gebildet worden sei, teilte der IWF am Montag in Washington mit.

Ministerpräsident Samaras hatte noch einmal die Abgeordneten zur Einigkeit aufgerufen und vor drohenden politischen Turbulenzen gewarnt. „Das Volk will keine Neuwahlen“, sagte Samaras.

EU hofft auf Fortsetzung der Reformen

In Brüssel hatte man schon seit Wochen vor vorgezogenen Neuwahlen gewarnt. Noch im Dezember hat die Eurogruppe in einer Sondersitzung eilig einer Verlängerung der Finanzhilfen für Athen bis einschließlich Februar zugestimmt. Andernfalls hätte das Land schon zu Beginn des neuen Jahres vor einer neuerlichen Krise gestanden, weil dann Kreditzahlungen fällig werden.

Die Prognosen für die Wirtschaft in Hellas fallen nur vier Jahre nach der Krise positiv aus. Derzeit wird dem einstigen Sorgenkind der Eurozone ein Wachstum von 2,9 Prozent für das kommende Jahr vorausgesagt. Die Arbeitslosenquote sänke damit von 24,8 auf 22,6 Prozent. Doch Griechenland ächzt noch immer unter seinem kritisch hohen Schuldenstand von 171 Prozent des Bruttoinlandprodukts.

Im EU-Parlament gibt man der linken Partei Syriza von Alexis Tsipras wenig Chancen: Elmar Brok (CDU), zuständig für auswärtige Angelegenheiten, warnt davor, die von der Verfassung vorgegebenen Neuwahlen mit einer neuerlichen Instabilität Griechenlands gleichzusetzen: Bislang habe sich die Koalition der konservativen Neo Democratia (ND) und den Sozialisten der Pasok-Partei als sehr stabil erwiesen. Auch Dora Bakoyannis, frühere Außenministerin Griechenlands, hält die Wahl für die ND für „gewinnbar“.

Die EU-Kommission hofft auf einen Sieg der ND: Der für das Ressort Finanzen verantwortliche Pierre Moscovici erinnerte an die „starke Verpflichtung gegenüber Europa“. Damit Griechenland in der Eurogruppe wieder „gedeihen“ könne, sei eine „breite Mehrheit der Wähler“ für den „notwendigen wachstumsfördernden Reformprozess“ nötig. Text: Mirjam Moll

 
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