Erstmals seit seinem Amtsantritt Ende Januar bekommt der griechische Links-Premier Alexis Tsipras den Unmut der Gewerkschaften zu spüren. Hunderttausende Griechen protestierten am Donnerstag mit Arbeitsniederlegungen gegen den Sparkurs, den die Regierung auf Druck der internationalen Geldgeber steuern muss. Am Rand eines Protestmarsches in Athen kam es zu Zwischenfällen, als vermummte Jugendliche Müllcontainer in Brand steckten und Molotowcocktails auf die Polizei warfen. Die Beamen antworteten mit Tränengas und Blendgranaten.
Die Eurostaaten hatten im August ein drittes Rettungspaket von bis zu 86 Milliarden Euro für das Dauer-Krisenland geschnürt. Als Bedingung für die Kredite muss Griechenland das Haushaltsdefizit abbauen, Steuern erhöhen, Renten kürzen und Strukturreformen sowie Privatisierungen umsetzen.
Fährverkehr teils eingestellt
Behörden, Schulen und Ministerien blieben wegen des Streiks geschlossen. In den staatlichen Kliniken gab es nur einen Notdienst. Der Fährverkehr zu den Inseln wurde eingestellt, viele Inlandsflüge fielen aus. Museen und archäologische Stätten waren geschlossen. In Athen verkehrten keine U- und S-Bahnen. Busse und Straßenbahnen wurden stundenweise bestreikt. Auch die Journalisten streikten, es gab keine Nachrichten in Radio und Fernsehen.
Ansonsten spürte man aber in der Privatwirtschaft wenig von dem Streik. Geschäfte, Restaurants und Cafés waren geöffnet. Auch in den meisten Firmenbüros und Werkshallen wurde normal gearbeitet. Obwohl die Gewerkschaft der Bankbediensteten zum Ausstand aufgerufen hatte, waren die meisten Bankfilialen geöffnet. Manche Beschäftigte in der Privatwirtschaft kamen allerdings wegen der Streiks bei den öffentlichen Verkehrsmitteln zu spät zur Arbeit.
Etwa 15 000 Menschen nahmen in Athen an einer Versammlung und einem Protestmarsch zum Parlament teil. Das waren weniger als bei früheren Kundgebungen. Nach sechs Jahren Rezession und Rekord-Arbeitslosigkeit sind viele Griechen offenbar streikmüde. Dass nun ausgerechnet Tsipras, der ein Ende der Entbehrungen versprochen hatte, den Sparkurs verschärft fortsetzen muss, lässt viele erst recht resignieren: Wenn sogar Tsipras vor den internationalen Geldgebern kapituliert, was werden dann Streiks und Proteste bewirken?
Zu dem Streik hatte ursprünglich der kommunistische Gewerkschaftsbund PAME aufgerufen. Dadurch kamen die anderen Gewerkschaften in Zugzwang. So schlossen sich die Gewerkschaftsdachverbände GSEE und der Verband der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst ADEDY dem Aufruf an. Da wollte dann auch das Linksbündnis Syriza nicht abseits stehen und rief zur „massenhaften Teilnahme“ auf. In Oppositionszeiten waren Syriza und Tsipras bei Demonstrationen und Streiks stets in vorderster Reihe mitmarschiert. Dass Syriza jetzt zu Protesten gegen die eigene Regierung aufrief, trug der Partei in den sozialen Netzwerken viel Spott ein. „Gegen sich selbst zu streiken ist die wahre Dialektik“, hieß es da zum Beispiel. „Alexis streikt gegen das Sparprogramm, das Tsipras umsetzt“, höhnte jemand auf Twitter.
„Alexis streikt gegen Tsipras“
Keine zwei Monate nachdem sich der linksextreme Syriza-Flügel von Tsipras lossagte, rumort es in der Partei schon wieder. Vielen Genossen gehen Reformen wie die geforderten Privatisierungen ideologisch gegen den Strich. Die von Tsipras mit den rechts-nationalistischen Unabhängigen Griechen gebildete Koalition verfügt nur über 153 der 300 Stimmen im Parlament.
Der Premier kann sich also nicht viele Abweichler leisten. Tsipras bekräftigt einerseits seinen Reformwillen, versucht aber zugleich, die geforderten Maßnahmen möglichst abzumildern. Das hat bereits dazu geführt, dass die Geldgeber eine für Oktober versprochene Kreditrate zurückhalten, weil Athen mit den Reformschritten im Rückstand ist.
Kommende Woche soll das Parlament ein weiteres Maßnahmenpaket verabschieden. Es sieht Steuererhöhungen für die Landwirte und weitere Rentenkürzungen vor. An diesem Freitag muss Tsipras die Rentenpläne im Politbüro seiner Partei verteidigen. Es könnte eine stürmische Sitzung werden.