Vor zwei Jahren gab es schon einmal diese Situation. Auf dem CDU-Parteitag in Hannover gab es fünf Kandidaten für das Amt des stellvertretenden Parteichefs – aber nur vier Plätze. Eine Kampfkandidatur schien unausweichlich, ein Kandidat wäre nach der Niederlage schwer beschädigt gewesen. Damals entschärfte die CDU den Konflikt im Vorfeld auf ihre Weise – sie erhöhte einfach die Zahl der Stellvertreter auf fünf. Und alle Kandidaten – Volker Bouffier, Julia Klöckner, Armin Laschet, Ursula von der Leyen und Thomas Strobl – konnten ins Amt gewählt werden.
Wenn die CDU an diesem Dienstag in der Kölner Messe zu ihrem 27. Parteitag zusammenkommt, steht sie vor einer ähnlichen Situation: Acht Kandidaten bewerben sich um einen Sitz im Präsidium, dem höchsten Führungsorgan der Partei – aber es gibt nur sieben Plätze. Eine Kampfkandidatur ist unvermeidlich. Denn dieses Mal wollen Parteichefin Angela Merkel, die seit 14 Jahren an der Spitze der Partei steht und für zwei weitere Jahre im Amt bestätigt werden soll, und die Unionsspitze den Konflikt nicht durch eine Erhöhung der Sitze entschärfen.
Und so wird es am Dienstagnachmittag zu einem mit Spannung erwarteten Duell kommen. Sowohl Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe als auch der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn bewerben sich um den freien Platz im Präsidium, der durch das Ausscheiden des früheren JU-Chefs Philipp Mißfelder frei geworden ist. Die anderen sechs Präsiden treten wieder an: Die beiden Frauen Emine Demirbüken und die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer gelten wegen der Frauenquote als gesetzt, ebenso Finanzminister Wolfgang Schäuble. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich vertritt den Osten, Karl-Josef Laumann den Arbeitnehmerflügel und David McAllister Europa.
Das Pikante an dem Duell: Beide kommen aus Nordrhein-Westfalen, beide sind in der Gesundheitspolitik zu Hause, beide gelten als pragmatisch, mit beiden könnte Angela Merkel gut leben. Dagegen könnten die beiden von ihrem Charakter und ihrem Auftreten unterschiedlicher nicht sein. Der 53-jährige Gröhe, zuvor vier Jahre CDU-Generalsekretär, ist ein ruhiger, nachdenklicher und zurückhaltender Politiker, eine unscheinbare graue Maus, der sich nicht auf Kosten anderer profiliert, vorsichtig formuliert, sich weder in Talkshows noch an die Öffentlichkeit drängt und lieber im Verborgenen arbeitet. Der 34-jährige Spahn dagegen, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt, geht keinem Konflikt aus dem Weg, kann poltern und austeilen und muss auch schon mal einstecken. „Rotzlöffel“ beschimpfte ihn die Senioren-Union, weil er von den Rentnern „Mäßigung“ verlangte und aus Sicht der Jungen in der Union mehr Gerechtigkeit zwischen den Generationen forderte.
Eigentlich ist die Sache klar. Gröhe ist als amtierender Bundesminister und enger Merkel-Vertrauter ein politisches Schwergewicht, der von seinem Landesverband Nordrhein-Westfalen, dem mitgliederstärksten Landesverband der CDU, offiziell ins Rennen geschickt wird. In der Regel funktionieren die Absprachen der drei großen Verbände NRW, Niedersachsen und Baden-Württemberg, gegenseitig ihre Kandidaten zu wählen. Doch dieses Mal könnte es anders kommen. Denn hinter dem „Jungspund“ Spahn stehen die Junge Union und der Wirtschaftsflügel. Und es gibt prominente Unterstützer. So hat Finanzminister Wolfgang Schäuble bereits seine Sympathien für Spahn erkennen lassen. „Er ist mir als einer der Streitlustigeren in der Partei und im Parlament aufgefallen“, sagte er. „Damit kann er einem manchmal ganz schön auf die Nerven gehen, aber das gefällt mir.“
Spahn selber sieht die Sache nüchtern. „Ich trete nicht gegen jemanden an“, sagt er, die Delegierten könnten für sieben Plätze aus acht Kandidaten wählen. Gröhe hingegen fährt mit dem Makel einer Niederlage nach Köln – vor wenigen Tagen erst fiel er in seinem eigenen Bezirksverband Niederrhein durch. Die Delegierten wählten nicht ihn zum Parteichef, sondern den Staatssekretär im Innenministerium, Günter Krings.
Steuerliche Entlastung
Die Bürger können auf eine erste steuerliche Entlastung bei der kalten Progression unter Schwarz-Rot bis 2017 hoffen. Die CDU-Führung unter Kanzlerin Angela Merkel schwenkte am Montag vor dem Bundesparteitag in Köln auf eine entsprechende Forderung des Wirtschafts- und des Arbeitnehmerflügels ein. Auch CSU und SPD sind für eine Abmilderung in dieser Legislaturperiode.
Die CDU formulierte nun, dass noch in dieser Legislaturperiode mit einem ersten Schritt zur Abmilderung begonnen wird. Bedingung sei, dass es einen ausgeglichenen Haushalt und keine neuen Schulden gebe und die Spielräume für eine Entlastung erarbeitet würden, betonte CDU-Generalsekretär Peter Tauber nach einer Vorstandssitzung. Er sagte aber: „Ich glaube daran, dass wir das können.“ Wie groß der erste Schritt ausfallen werde, hänge „von Größe und Umfang der Spielräume ab“.
Die kalte Progression entsteht, wenn Gehaltserhöhungen nur die Inflation ausgleichen, der Arbeitnehmer aber in einen höheren Einkommensteuertarif rutscht und seine Kaufkraft dadurch nicht steigen kann oder sogar sinkt.
Ursprünglich wollte sich die CDU-Spitze nicht auf ein Datum festlegen. Mit dem Kompromiss gilt es als so gut wie ausgeschlossen, dass es noch einen offenen Streit auf dem Kongress geben wird. 19 Verbände hatten einen Antrag eingebracht, mit der „Steuerbremse“ spätestens 2017 zu beginnen. Vertreter der Verbände betonten, der Abbau der kalten Progression bleibe auch danach eine Daueraufgabe. Text: dpa