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WÜRZBURG
„Glauben vor Missverständnissen bewahren“
Empfang im Treppenhaus: Erzbischof Gerhard Ludwig Müller (von rechts nach links), der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann und Professor Martin Stuflesser auf dem Weg zum Festvortrag.
Foto: Thomas Obermeier | Empfang im Treppenhaus: Erzbischof Gerhard Ludwig Müller (von rechts nach links), der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann und Professor Martin Stuflesser auf dem Weg zum Festvortrag.
Ludwig Sanhüter
Ludwig Sanhüter
 |  aktualisiert: 11.01.2016 14:55 Uhr

Glaubt man der Wochenzeitung „Die Zeit“, dann ist er der zweitmächtigste Mann im Vatikan und der „hartnäckigste Gegner“ von Papst Franziskus: der Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller. Er war aus Rom nach Würzburg gekommen, um über „50 Jahre Liturgiereform“ zu sprechen. Dabei umriss er sein Amt so: Seine Aufgabe sei es, „den katholischen Glauben vor Missverständnissen zu bewahren“.

Missverständnisse mögen derzeit wohl viele drohen, vom neuen bescheidenen Stil des Papstes und seinem Wort von der „verbeulten Kirche“ über die Kurienreform bis hin zu Erleichterungen für Katholiken, die geschieden wurden und wieder geheiratet haben. Und der neue Nuntius in Berlin sprach gar von einer „Pluralität des Katholischen“.

Am 50. Jahrestag der Verabschiedung der Konstitution „Sacrosanctum Concilium“ durch das Zweite Vatikanische Konzil ging es aber um die damals beschlossene Liturgiereform. Müller war einer Einladung des Professors für Liturgiewissenschaft an der Universität Würzburg, Martin Stuflesser, gefolgt. Empfang durch die Posaunen und Trompeten des „Main Brass Quintett“ im Treppenhaus der Würzburger Residenz – das Schloss der ehemaligen Fürstbischöfe wurde gewählt, weil die Neubaukirche, die Festaula der Universität, schon belegt war. Vortrag vor gut 200 Zuhörern, darunter Bischof Friedhelm Hofmann und andere hochrangige Vertreter des Bistums.

Müller verteidigte in seinem Vortrag die vor 50 Jahren eingeleitete Reform des Gottesdienstes. Eingeführt wurden zum Beispiel die Verwendung der Landessprache, die Haltung des Priesters mit dem Gesicht zum Volk und der Einsatz von Laien als Lektoren und Kommunionhelfern. Auch die Handkommunion wurde später ermöglicht.

Neuerungen, die einigen nicht gefielen: Die Reformen waren ein Anlass für die Abspaltung traditionalistischer Kreise um Erzbischof Marcel Lefebvre und die Gründung der Piusbruderschaft, die bis heute in Opposition zum Vatikan steht.

Erzbischof Müller betonte, dass „die Reform als gelungen zu bezeichnen“ sei. Sie sei ein Übergang zu neuen Formen, folgerichtig und kein Bruch mit dem Hergebrachten. Wo es Unsicherheiten gebe, solle man das Positive vermitteln und alle Gläubigen sollten mit Freude teilnehmen. Die Liturgie sei der unmittelbare Zugang zum Christentum.

Er selbst sei durch die Liturgie „geistig geprägt“: „Der Tag der ersten heiligen Kommunion war der schönste Tag in meinem Leben.“ Und er habe sich besonders gefreut, als einmal das zweisprachige Schott-Messbuch auf dem weihnachtlichen Gabentisch gelegen habe.

Auch heute gehen nach den Statistiken der Deutschen Bischofskonferenz fast alle katholischen Kinder zur Erstkommunion. Von den 24,3 Millionen Katholiken allerdings besuchen nach den Erhebungen an „normalen Sonntagen des Kirchenjahres“ nur rund drei Millionen Katholiken die Messe.

Woran das liegt? Der Schriftsteller Martin Mosebach hatte vor einigen Jahren mit seinem Buch „Häresie der Formlosigkeit. Die römische Liturgie und ihr Feind“ den konservativen Kritikern Gehör verschafft.

Der vatikanische Präfekt sprach solchen „scharfen Kritikern“ allerdings die Berechtigung ab, die Neuerungen für Glaubensschwund und mangelnde kirchliche Bindung verantwortlich zu machen. Müller gilt als scharfer Gegner der traditionalistischen Piusbruderschaft.

Ebenso wandte er sich aber gegen den Zeitgeist, der für ihn geprägt ist von einer Trennung von Glaube und Vernunft, in dem die Unterscheidung von Gut und Böse nur eine Funktion der Subjektivität sei. So kritisierte er die Liturgieunfähigkeit des Menschen im Zeitalter der Industrialisierung, die „Selbstinstrumentalisierung“ des modernen Menschen und das „Gefängnis trostloser Diesseitigkeit“. Vor seinen Zuhörern warb er für die Teilnahme an der Liturgie, in der sich „das Werk der Erlösung“ vollziehe. Er zitierte seinen Vorgänger an der Spitze der Glaubenskongregation, Joseph Kardinal Ratzinger, den späteren Papst Benedikt XVI.: „Im Umgang mit der Liturgie entscheidet sich das Schicksal von Glaube und Kirche.“ Wenn die Zeichen aus Rom nicht trügen, dann bahnt sich unter Papst Franziskus eine neue Einfachheit der Liturgie an. Und offenbar gefällt das vielen Menschen auch. Diese neuesten Reformen allerdings standen an diesem Abend nicht im Mittelpunkt.

Reformen von oben hatte Müller in seiner Zeit als Bischof von Regensburg durchgeführt. Damals schaffte er gewählte Laienräte ab – das Zentralkomitee der deutschen Katholiken zeigte sich bestürzt und sprach von einem „autoritären Kirchenbild“.

Die aktuelle Diskussion über die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Eucharistie hat Papst Franziskus unter dem Schlagwort „es ist Zeit für Barmherzigkeit“ im Sommer eröffnet. Müller antwortete in einem Zeitungsbeitrag klar ablehnend und zitierte eine Fülle von Äußerungen der Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI.

In seinem Mahnschreiben „Evangelii Gaudium“ formulierte der Papst vergangene Woche aber, die Eucharistie sei nicht „Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen“.

 
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