Ein Hacker im Athener Finanzministerium, der unbemerkt sensible Daten der Finanzverwaltung auf einen Laptop herunterlädt, Vorbereitungen für die Ausgabe von Schuldscheinen, wenn das Bargeld ausgeht, ein virtuelles Zahlungssystem, das auf Knopfdruck vom Euro auf die neue Drachme umgestellt werden kann – und die Fäden zieht kein anderer als der Finanzminister höchstpersönlich, Gianis Varoufakis.
Was die Athener Zeitung „Kathimerini“ am Wochenende berichtete, klang zuerst unglaublich. Jetzt bestätigte Varoufakis den Bericht: Ja, er habe im Auftrag von Premierminister Alexis Tsipras Pläne für eine Rückkehr zu einer eigenen Währung entwickelt, falls es dazu komme. Es sei aber nie seine Absicht gewesen, Griechenland in einen „Grexit“ zu führen, sagte Varoufakis am Montag dem britischen „Daily Telegraph“.
Varoufakis steht im Kreuzfeuer, seit am Wochenende sein „Plan B“ für einen Abschied vom Euro bekannt wurde. Griechische Oppositionsparteien fordern Aufklärung. Varoufakis selbst hatte die Pläne, laut dem Bericht von „Kathimerini“, am 16. Juli in einer Telefonkonferenz mit internationalen Analysten ausgeplaudert.
Bereits im Dezember 2014, vor dem Wahlsieg des radikalen Linksbündnisses Syriza, habe Tsipras ihn als seinen damaligen Wirtschaftsberater mit Plänen für eine Rückkehr zur Drachme beauftragt, erzählte Varoufakis laut „Kathimerini“ den Analysten. Als Finanzminister habe er dann eine „kleine, sehr fähige Mannschaft zusammengestellt, die unter größter Geheimhaltung arbeitete“. Die Planspiele sahen die Einführung eines virtuellen Zahlungssystems vor, das „mit einem Knopfdruck“ vom Euro auf eine neue Währung hätte umgestellt werden können, sobald Premier Tsipras dafür grünes Licht gegeben hätte. Damit die Troika keinen Wind von den Plänen bekomme, habe er einen Jugendfreund als Hacker engagiert, der sich unbemerkt Zugriff auf alle erforderlichen Daten der Finanzverwaltung verschaffte, erzählte Varoufakis in der Telefonkonferenz.
Er habe Tsipras von Anfang an gesagt, dass es „schwierig werden könnte“, aber das sei nun mal „der Preis der Freiheit“, sagte Varoufakis jetzt dem „Daily Telegraph“. Als es dann so weit gewesen sei, den Plan umzusetzen, habe Tsipras sich aber nicht getraut. Der Premier habe die Schwierigkeiten wohl „für zu groß gehalten“, sagte Varoufakis. „Ich weiß nicht, wann er zu dieser Entscheidung gekommen ist“, sagte Varoufakis dem „Daily Telegraph“. Er habe von Tsipras‘ Entschluss, keinen „Grexit“ zu wagen, in der Nacht nach der Volksabstimmung vom 5. Juli erfahren und daraufhin seinen Rücktritt angeboten.
Ministerpräsident Tsipras schweigt bisher zu den Veröffentlichungen. In Tsipras‘ Umgebung heißt es: Kein Kommentar. Man wisse nichts von den angeblichen Varoufakis-Plänen. Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND), Vangelis Meimarakis, sprach gegenüber Mitarbeitern von einer „Lawine von Enthüllungen“. Die entscheidende Frage sei, was der Ministerpräsident von den Plänen gewusst habe. Die Partei will jetzt die Justiz einschalten und das Thema vor das Parlament bringen.
Die ND verlangt auch Aufklärung über einen angeblichen Plan des inzwischen entlassenen Energieministers Panagiotis Lafazanis für den Ausstieg aus dem Euro. Lafazanis, die führende Figur des linksextremen Syriza-Flügels, erläuterte sein Vorhaben bei einem Treffen gleichgesinnter Genossen am 14. Juli im Athener Hotel Oscar. Sein Plan lief auf eine Art Putsch für die Drachme hinaus. Nach Aussage von Teilnehmern der Zusammenkunft schlug Lafazanis vor, die staatliche Münzanstalt zu besetzen und dort gelagerte Bargeldreserven der griechischen Notenbank zu konfiszieren. Mit dem Geld könnte der Staat Renten und Gehälter bezahlen, bis eine eigene Währung gedruckt sei. Sollte der griechische Zentralbankgouverneur Giannis Stournaras bei dem Plan nicht mitmachen, wollte man den Notenbanker, der auch Mitglied im Zentralbankrat der Europäischen Zentralbank (EZB) ist, absetzen und festnehmen lassen.