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ISTANBUL
Gezi-Aktivisten vor Gericht: Prozessbeginn in Istanbul
reda
 |  aktualisiert: 11.06.2014 20:00 Uhr

„Wir werden dort sein“ – mit dieser Parole haben sich mehrere Gruppen und Verbände in der Türkei für diesen Donnerstag zu einer Solidaritätskundgebung vor dem Istanbuler Justizpalast angesagt. Dort beginnt der Prozess gegen 26 mutmaßliche Organisatoren der Gezi-Proteste im vergangenen Jahr. Das Verfahren ist schon jetzt heftig umstritten, auch deshalb, weil die türkische Justiz mit großem Eifer Tausende Gezi-Demonstranten vor Gericht bringt, bei der Verfolgung mutmaßlicher Polizei-Übergriffe während der Proteste aber eine merkwürdige Lethargie an den Tag legt.

Bis zu 17 Jahre sollen die Istanbuler Angeklagten laut Staatsanwaltschaft ins Gefängnis, unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Prominenteste Beschuldigte ist Mücella Yapici, die Generalsekretärin der Istanbuler Architektenkammer. Yapici ist ein führendes Mitglied von „Taksim Solidarität“, eines Dachverbandes der Gezi-Protestbewegung.

Sie und die anderen Angeklagten von „Taksim Solidarität“ sind stolz auf ihren Einsatz zur Rettung des kleinen Gezi-Parks in der Istanbuler Innenstadt, auf dem Erdogan den Wiederaufbau eines osmanischen Kasernenbaus plante. Die Anklage sieht in ihrem Engagement aber keinen Ausdruck von Bürgersinn, sondern den Versuch zur Aufwiegelung.

Allzu viel Mühe gaben sich die Staatsanwälte bei der Beweisführung allerdings nicht. Eine erste Anklageschrift wurde vom zuständigen Gericht zurückgewiesen, weil die Anklage bei ihrem Hauptvorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung nicht einmal erläutert hatte, welches Ziel diese angebliche Vereinigung eigentlich verfolgt haben soll. Mitglieder der Protestbewegung halten das Verfahren deshalb schon jetzt für einen politischen Schauprozess.

Insgesamt müssen sich laut Amnesty International über 5500 Menschen in der ganzen Türkei wegen Teilnahme an den Gezi-Protesten verantworten. Was Verfahren gegen Polizisten betrifft, sieht es dagegen recht dürftig aus: Trotz mehrerer Hundert Strafanzeigen wegen Polizei-Brutalität stehen nur fünf Beamte vor Gericht. Besserung ist nicht in Sicht: Erdogan lobte das rücksichtslose Vorgehen der Sicherheitskräfte ausdrücklich als „Heldenepos“.

 
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