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BERLIN
Gewerkschaft fordert mehr Schutz von Arbeitnehmern
Spätsommer in Mainz       -  Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten beklagt Missstände beim Mindestlohn und bei Überstunden.
Foto: Andreas Arnold, dpa | Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten beklagt Missstände beim Mindestlohn und bei Überstunden.
Von Christine Faget
 |  aktualisiert: 02.04.2019 12:13 Uhr

Michaela Rosenberger, die Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), kennt den einfachsten Weg, um den Mindestlohn zu unterschreiten: Indem die Arbeitszeit überschritten werde.

Mehr als eine Milliarde Überstunden wurden im ersten Halbjahr 2018 in Deutschland geleistet, fand das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in einer Studie heraus, auf die sich Rosenberger am Mittwoch in Berlin beruft. Mehr als die Hälfte davon war unbezahlt. Besonders betroffen seien Frauen.

Jedoch: Immer seltener schauen die Ordnungsämter in den Betrieben vorbei, um zu kontrollieren, ob die gesetzlich vorgeschriebene Höchstarbeitszeit auch eingehalten wird. Im vergangenen Jahr fanden knapp 15 200 Kontrollen statt – 41 Prozent weniger als im Jahr 2010. Das gehe nach Angaben der NGG-Chefin aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl (Linke) hervor.

Pro Verstoß zahlen Arbeitgeber bis zu 15.000 Euro Strafe. „Der Sanktionsrahmen ist okay“, meint die NGG-Vorsitzende. Sie kritisiert allerdings: „Im Prinzip ist er ein zahnloser Tiger, wenn die Betriebe von der Kontrolle nicht erfasst werden.“ Schon in der Vergangenheit seien die Ordnungsämter ihrer Pflicht kaum nachgegangen, „weil sie überfordert waren“.

Matthias Günther, der das Hamburger Pestel-Institut leitet, hat untersucht, wie oft in den einzelnen Bundesländern kontrolliert wird. Ihm ist aufgefallen, dass selbst Spitzenreiter Brandenburg das Kontrollpersonal seit 2010 halbiert hat. Auch die Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz schwanken in den einzelnen Bundesländern stark. Günther kritisiert: „Es gibt kaum einheitliche Vorgaben, was zu kontrollieren ist und wie es zu kontrollieren ist.“ Auch er hat festgestellt, dass die Arbeitszeiten in allen Bereichen angestiegen seien. Häufiger arbeiten Menschen vor allem am Abend, in der Nacht und in der Wechselschicht. „Das hat sicherlich etwas damit zu tun, dass die Öffnungszeiten zugenommen haben.“

Für Anita Tisch von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin steht fest: „Lange Arbeitszeiten führen nicht nur zu Schlafstörungen, sondern man kann auch Herz-Kreislauf-Versagen nachweisen.“ Ab der achten Arbeitsstunde steige das Unfallrisiko exponentiell an.

Dabei erinnert sie, dass das Arbeitsgesetz in erster Linie ein Arbeitsschutzgesetz sei. Es sei die Pflicht der Arbeitgeber, für ihre Mitarbeiter zu sorgen. Dazu gehöre auch, den Arbeitnehmer vor sich selbst zu schützen. Denn manchmal wollten Arbeitnehmer ja selbst Überstunden machen, um etwa auf der Karriereleiter nach oben zu klettern.

Michaela Rosenberger fordert: „Hände weg vom Arbeitsschutzgesetz.“ Hintergrund ist eine Klausel im Koalitionsvertrag, um die Arbeitszeiten zu flexibilisieren. Rosenberger zufolge seien diese jedoch schon heute flexibel genug. Extreme Arbeitszeiten seien vor allem im Gastgewerbe verbreitet. Deshalb findet Rosenberger: Statt über das Experimentieren zu reden, müsse vom Gesetzgeber gehandelt und mehr Kontrollen eingeführt werden.

 
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