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SIMFEROPOL/BRÜSSEL
Gewaltausbrüche auf ukrainischer Halbinsel Krim
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 27.02.2014 19:46 Uhr

Auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim braut sich ein gefährlicher Sturm zusammen. Die verschiedenen Bevölkerungsgruppen geraten aneinander. Bewaffnete prorussische Kräfte besetzten in Simferopol das Parlament der Autonomen Krim-Republik. Es gibt erste gewaltsame Auseinandersetzungen. Eine Frau wurde totgetrampelt. Ein Mann starb an einem Herzinfarkt, als russische Kosaken mit Tataren aneinandergerieten. Von Dutzenden Verletzten und erhöhter Alarmbereitschaft ist die Rede.

Die russische Schwarzmeerflotte in der Krim-Hafenstadt Sewastopol trifft zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen. Ein russischer Geschäftsmann lässt an den Zugängen zur Stadt Wachpunkte errichten. Offizielle in Moskau beteuern indes, Russland wolle sich nicht einmischen.

Volksbefragung über Autonomie

Angesichts zunehmender Spannungen auf der Halbinsel Krim hat das Parlament die Regierung der prorussisch geprägten Region entlassen. Das beschlossen die Abgeordneten am Donnerstag in einer Sondersitzung, berichteten örtliche Medien. Zudem setzten sie für den 25. Mai eine Volksbefragung über die Zukunft der eigenen Autonomie an.

Auf der Krim werden Rufe nach einer Abspaltung von der Ukraine immer lauter. Die mehrheitlich russischsprachige Bevölkerung fürchtet seit dem Sturz des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch um ihre kulturelle Selbstbestimmung. Interimspräsident Alexander Turtschinow flog nach Aussage des ukrainischen Nato-Botschafters Igor Dolgow auf die Halbinsel, auf dem sich der Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte befindet.

Russische Jagdbomber an Grenze

Die Nato hält indes still. Als die 28 Verteidigungsminister am Donnerstagmorgen zum zweiten Tag ihrer Frühjahrstagung im Hauptquartier der Allianz zusammenkommen, liegt die Meldung von der Stationierung russischer Jagdbomber an der Grenze zur Ukraine schon auf dem Tisch. „Es ist jetzt wichtig, dass die besonnenen Kräfte im Land gestärkt werden“, sagt Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen zurückhaltend. Intern hat man sich darauf verständigt, dass lediglich Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen im Namen aller deutlichere Worte wählen darf: „Ich fordere Russland auf, nichts zu tun, was die Spannungen verschärfen oder zu einem Missverständnis führen könnte“, erklärt er.

Aktivitäten in einem Manöver?

Am Donnerstagnachmittag lässt man sich von Moskaus Verteidigungsminister Sergej Schoigu beruhigen, der darlegt, es handele sich lediglich um „Aktivitäten innerhalb eines geplanten Manövers“. Normalerweise hätten zumindest die eingefleischten Moskau-Gegner des Bündnisses heftig protestiert und eine Entschuldigung dafür verlangt, dass die Truppenbewegungen nicht – wie seit Jahren üblich – Wochen vorher angekündigt wurden. Doch die Nato schweigt.

Niemand habe die Niederlage des russischen Präsidenten und das Scheitern seiner Ukraine-Pläne zum Anlass für Triumph genommen, heißt es. Lediglich US-Verteidigungsminister Chuck Hagel macht klar, dass Washington von Russland Transparenz bei diesen Aktivitäten erwartet. In vergleichbaren Situationen waren die USA auch schon sehr viel deutlicher geworden.

Angeblich fühlt sich Putin blamiert

„Wir wissen, dass Präsident Wladimir Putin von der Entwicklung in Kiew am Wochenende ebenso überrascht wurde wie wir“, sagt ein hochrangiger Nato-Diplomat. „Vor allem wissen wir, dass er sich blamiert fühlt und nun seine Stärke demonstrieren will.“ Die Zurückhaltung des Bündnisses sei deshalb ein „Signal des Verständnisses“, das der Kreml-Herrscher aber nicht missverstehen dürfe.

Führende Militärs bekräftigten, die Nato sei intern „sehr beunruhigt“ und habe „auch noch keine Antwort auf die Frage, was wir tun würden, wenn Russland unter dem Vorwand, Landsleute zu schützen, Truppen auf die Krim entsendet“. Mit Informationen von dpa und AFP

Zankapfel Krim

Die Schwarzmeer-Halbinsel Krim ist seit langem zwischen Russen und Ukrainern umstritten. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte das 26 000 Quadratkilometer große Gebiet zunächst zu Russland. Kremlchef Nikita Chruschtschow machte es 1954 zu einem Teil seiner Heimatrepublik Ukraine innerhalb der Sowjetunion. Die Krim ist heute ein autonom verwalteter Teil der unabhängigen Ukraine. Von den mehr als zwei Millionen Einwohnern sind etwa 25 Prozent Ukrainer und knapp 60 Prozent Russen. Zudem siedelten sich nach dem Zusammenbruch der UdSSR Zehntausende Krimtataren wieder dort an, die zuvor im Rahmen der stalinistischen Verfolgungen nach Zentralasien deportiert worden waren. Die Hafenstadt Sewastopol mit mehr als 300 000 Einwohnern gehört nicht zum Autonomiegebiet, sondern wird direkt aus Kiew verwaltet. Die Marinebasis Sewastopol, Ende des 18. Jahrhundert von Russland gebaut, ist bis heute Heimathafen der Schwarzmeerflotte. 2010 vereinbarte Kiew mit Moskau, dass der 2017 ablaufende Pachtvertrag für die Stationierung der russischen Flotte um 25 Jahre verlängert wird. Text: dpa

Gewaltausbrüche auf ukrainischer Halbinsel Krim
Arseni Jazenjuk
Foto: dpa | Arseni Jazenjuk
 
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