Die Gegensätze hätten nicht krasser ausfallen können. Zehntausende junge Leute jubelten in Teheran nach Bekanntwerden des Wiener Atomvertrags bis tief in die Nacht hinein. Bei den arabischen Nachbarn am Persischen Golf dagegen herrschte Katerstimmung.
Man hoffe, der Iran werde seine Ressourcen künftig dazu nutzen, den Lebensstandard der Bevölkerung zu bessern, statt Unruhe in der Region zu stiften, erklärte ein Regierungssprecher in Riad. König Salman telefoniert wenig später mit US-Präsident Barack Obama, der erneut versuchte, die Sorgen des superreichen Potentaten mit dem Angebot neuer Waffenlieferungen zu zerstreuen. Schon heute ist das Militärbudget Saudi-Arabiens fünfmal so groß wie das von Teheran.
Die Vereinigten Arabischen Emirate geben für ihre knapp 1,4 Millionen Bürger immerhin noch 50 Prozent mehr Geld für Rüstung aus, als die 78-Millionen-Nation auf der anderen Seite des Persischen Golfs. Und so reagierte Abu Dhabi etwas konzilianter und stellte dem Iran eine „wichtige Rolle in der Region“ in Aussicht, wenn das Land aufhöre, sich in die inneren Angelegenheiten von Irak, Syrien, Libanon und Jemen einzumischen. Mehr als drei Jahrzehnte herrschte Kalter Krieg zwischen Saudi-Arabien und der Islamischen Republik.
Iran fühlt sich als persisch-schiitische Vormacht in der Region, Saudi-Arabien als Hüter der heiligsten Stätten des Islam, Mekka und Medina, und damit als wichtigstes Zentrum des sunnitisch-arabischen Islam. Und so geraten die Erzrivalen an immer mehr Brennpunkten aneinander. Gleichzeitig breitet sich in der Region mit dem Islamischen Staat (IS) eine Gefahr aus, die alle eingeschworenen Gegner gleichermaßen bedroht.
Und so könnte der Wiener Atomvertrag im Kampf gegen IS neue, bislang undenkbare Bündnisse stiften, zwischen Iran und seinen arabischen Rivalen, aber auch zwischen Iran, dem Westen und Russland. Iraks Premierminister Haider al-Abadi frohlockte bereits, die Atomeinigung habe den Weg freigemacht für einen gemeinsamen Feldzug gegen die Gotteskrieger.
Eine solche stärkere diplomatische Einbindung in die Geschicke der Region aber wollen die Hardliner der Islamischen Republik verhindern. Sie haben bestens an dem westlichen Sanktionsregime verdient. „Die Vereinigten Staaten haben genau das bekommen, was sie wollten – einen schlechten Vertrag, der gegen die nationalen Interessen des Iran verstößt“, polemisierte der ultrakonservative Teheraner Abgeordnete Alireza Zakani.
Das letzte Wort aber hat der Oberste Revolutionsführer Ali Chamenei. Demonstrativ lud er Präsident Rowhani und sein Kabinett zum Ramadan-Fastenbrechen ein und pries per Twitter die „rechtschaffenen und harten Anstrengungen“ der Verhandlungsdelegation in Wien.
Auch die US-Regierung warb nach der Einigung für das Abkommen. US-Präsident Obama telefonierte zudem mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu. Netanjahu hatte das Abkommen als „historischen Fehler für die Welt“ bezeichnet. Israel fühle sich nicht an den Deal gebunden, „weil der Iran weiterhin unsere Zerstörung anstrebt“, sagte der Regierungschef.
Auf Verständnis stößt Netanjahu unter anderem bei den Republikanern im US-Kongress. Der Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, der Republikaner John Boehner, sagte: „Wir werden alles uns mögliche tun, dies (das Abkommen) zu stoppen.“
Der Kongress hat nun 60 Tage Zeit, um das Abkommen zu prüfen, und kann es mit einfacher Mehrheit ablehnen. Legt Präsident Obama gegen diese Entscheidung sein Veto ein, könnte es nur noch mit einer Dreiviertel-Mehrheit ausgehebelt werden, was Beobachter für unwahrscheinlich halten. Mit Informationen der DPA