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AMSTERDAM
Gesucht: 50 000 Tonnen Fleisch
Ehrlich deklariert: Pferdefleisch bei einem niederländischen Metzger in Haarlem in der Auslage.
Foto: dpa | Ehrlich deklariert: Pferdefleisch bei einem niederländischen Metzger in Haarlem in der Auslage.
Von dpa-Korrespondentin Annette Birschel
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:32 Uhr

50 000 Tonnen Fleisch: Die Menge ist unvorstellbar. Sie muss nun in 16 Ländern aufgespürt werden, vor allem in den Niederlanden, Deutschland, Frankreich und Spanien. Keiner weiß, ob diese Ware Pferdefleisch enthält und ob es schädlich ist. Genau das aber ist das Problem. Die Herkunft des Fleisches ist unklar, und daher kann die niederländische Kontrollbehörde für Lebensmittel die Sicherheit nicht garantieren.

Die Rückrufaktion der Behörde löste am Donnerstag eine Schockwelle in Europa aus – der Pferdefleischskandal vom Jahresbeginn ist weitaus größer als angenommen. Und die Spuren weisen in die Niederlande.

Im Städtchen Oss im südniederländischen Brabant ist der Betrieb des Fleischgroßhändlers Willy S. Gut 125 Mitarbeiter sind „Experten im Entbeinen und Verarbeiten von Fleisch“, meldete das Unternehmen noch im März auf seiner Internetseite. Es verkaufte Fleisch an Zwischenhändler und fleischverarbeitende Betriebe in ganz Europa.

Doch dann gerät das Unternehmen in Geldnot und soll zum billigen Pferdefleisch gegriffen haben. Das verkaufte der Händler dann als reines Rindfleisch, meldeten Mitarbeiter bereits anonym im Dezember den Behörden.

Als dann im Februar in Europa Pferdefleisch in Lasagne und Hackbällchen gefunden wird, fällt auch der Name von drei niederländischen Unternehmen. Eins davon ist der Handel von Willy S. Tatsächlich finden die Kontrolleure am 15. Februar in zwei seiner Proben Pferdefleisch. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Unternehmer wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Geldwäsche.

S. tat das als menschlichen Fehler ab. „So viel Aufregung, dabei geht es höchstens um ein Pferd“, sagte er damals dem niederländischen Fernsehen. Doch bis zum Mittwochmorgen konnte er der Behörde nicht nachweisen, wo das Fleisch herkam, das er in den vergangen zwei Jahren verarbeitet und verkauft hatte.

Damit begann die größte Rückrufaktion der niederländischen Geschichte. „Wenn wir die Herkunft des Fleisches nicht wissen“, so erklärte der Sprecher der Kontrollbehörde, Benno Bruggink, „dann können wir auch die Sicherheit nicht garantieren.“ Auch wenn es keine konkreten Hinweise auf Gesundheitsgefahren gibt, die Behörde musste handeln.

Bisher ging es bei dem Pferdefleischskandal zunächst um eine Vertrauensfrage. Die Volksgesundheit war nicht in Gefahr, denn Pferdefleisch ist nicht schädlich.

Nationale Regierungen und die EU-Kommission versprachen strengere Kontrollen. Schließlich hat der Verbraucher ein Recht darauf zu wissen, was in seinem Hamburger oder seiner Gulaschsuppe steckt.

Doch beim niederländischen Skandal geht es nun nicht mehr nur um eine Geschmacksache, sondern um die Gesundheit. Die Kontrollbehörde kann nämlich nicht ausschließen, dass der Händler mit unkontrolliertem Pferdefleisch panschte. Und das könnte für Menschen schädliche Medikamente oder sogar Krankheitskeime enthalten.

Es ist fraglich, ob es je Gewissheit geben wird. Denn das meiste der 50 000 Tonnen Fleisch wird bereits verzehrt sein. Das, was in Tiefkühlgerichten verarbeitet wurde, muss nun aufgespürt und untersucht werden. Erst dann wird man wissen, ob tatsächlich Pferdefleisch beigemischt wurde und dies schädliche Stoffe enthielt.

50 000 Tonnen Fleisch

Die riesige Menge von 50 000 Tonnen Fleisch kann man sich nur schwer vorstellen. Klarer wird der Berg des jetzt aus den Niederlanden zurückgerufenen Fleisches, wenn man ihn in die Ladung von Lastzügen auf deutschen Autobahnen umrechnet. Bei einer angenommenen maximalen Zuladung von 24 Tonnen Fleisch je Fahrzeug wären dies mehr als 2000 Lastzüge mit je 18 Metern Länge. Dies ergäbe eine Schlange von mehr als 37 Kilometern – ohne Abstand zwischen den Fahrzeugen. Eine Strecke, die per Luftlinie von Köln bis nach Düsseldorf und auf der Straße von Berlin-Mitte bis nach Potsdam reichen würde. Text: dpa

 
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