Das Moos auf dem Dach ist daumendick, an der Eingangstür haben Spinnen ihre Netze geflochten, der Garten ist verwahrlost, die Fenster vergittert. Das schäbige, nahezu unbewohnbar wirkende Haus aus den 1960er Jahren im Salzburger Nobelstadtteil Aigen gehört Cornelius Gurlitt. Hier soll der inzwischen bekannteste Sonderling der Kunstwelt jahrzehntelang gelebt haben. Für die Menschen aus seiner Straße war der heute 79-Jährige eher ein Phantom als ein Nachbar.
Helmut Ludescher hat 50 Jahre nebenan gewohnt. „Es war mysteriös“, fasst der 86-Jährige die beklemmenden Eindrücke zusammen. 50 Jahre lang hätten sie bis auf eine Ausnahme kein einziges Gespräch geführt.
„Vor drei, vier Jahren wollte ich wissen, ob er der Besitzer des Hauses ist, aber er hat mich nur mürrisch abgefertigt“, erinnert sich Ludescher. Vom Leben im Nachbarhaus hätten die Anwohner wenig mitbekommen. Hin und wieder habe ein „gespenstisches Licht“ im ersten Stock gebrannt. Vom Architekten habe er später erfahren, dass Gurlitt Wert auf einen Raum mit gutem Licht gelegt habe. Er und andere hätten den kleinen, elegant angezogenen Herrn seitdem für einen Maler gehalten. Weitere Indizien für diese Beobachtung kann Ludescher aber nicht anführen.
„Wenn er bei uns vorbeigefahren ist, hat er stur geradeaus geschaut, nicht links, nichts rechts, ich sehe heute noch sein blasses Gesicht“, sagt Ludescher. Niemand in der Gegend scheint über Jahrzehnte irgendeinen Kontakt zu Gurlitt gehabt zu haben. „Er hat nicht einmal gegrüßt“, sagt eine 65-Jährige im Haus gegenüber. Einmal sei von Nachbarn die Polizei alarmiert worden, weil Sorge bestand, dass der scheue Mann tot sein könnte. Aber ins Haus vorgedrungen ist nach der Erinnerung der Anwohner nie jemand.
„Er hat auch nie Besuch gehabt“, meint Ludescher. „Der Mensch war unzugänglich“. Gurlitt habe sich sogar geweigert, sein Haus an die Gebietskanalisation anschließen zu lassen. Die postwendenden Bußbescheide der Stadt habe Gurlitt wohl bezahlt, aber nie etwas gemacht. Dennoch hatte die Stadt Salzburg den Sonderling nicht auf dem Schirm. „Die Stadt ist genauso überrascht wie jeder andere“, sagt Magistrats-Sprecher Johannes Greifeneder.
In den vergangenen zwei Jahren habe sich der Nachbar überhaupt nicht mehr gezeigt, sagt Ludescher. „Dass er diese Schätze gehortet und versteckt hat, hätten wir ihm nie zugetraut.“ Es wundere ihn aber, dass selbst jetzt nichts unternommen werde, das Gelände zu durchsuchen.