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BUENOS AIRES
Geraubte Kinder suchen ihre Wurzeln
Von den dpa-Korrespondenten Juan Garff und Lea Richtmann
 |  aktualisiert: 11.12.2019 20:17 Uhr

Es war ein diabolischer Plan der höchsten Militärführung in Argentinien: Über Jahre wurden systematisch Kinder von verschleppten Oppositionellen illegal zur Adoption durch Anhänger der Diktatur (1976-1983) vermittelt. Um die 500 Kinder waren es, die mit ihren Eltern verschleppt oder in Konzentrationslagern der Militärs geboren wurden. Sie wurden zumeist an Militärfamilien abgegeben, die sie als eigene Kinder meldeten. Nach 30 Jahren wissen die meisten dieser von klein auf Verschleppten noch immer nichts Genaues über ihren Ursprung. Bislang wurden erst 105 der inzwischen erwachsenen Opfer der Diktatur wiedergefunden.

In Buenos Aires wurde jetzt das Urteil gegen die beiden überlebenden Ex-Diktatoren Jorge Rafael Videla (86) und Reynaldo Bignone (84) gefällt: 50 beziehungsweise 15 Jahre Gefängnis. Damit stellte erstmals ein argentinisches Gericht fest: Die höchste Militärführung hat die illegalen Adoptionen nicht nur toleriert, sondern sie als einen „systematischen und allgemeinen Raub“ von Minderjährigen im Rahmen des damals bestehenden Staatsterrorismus durchgeführt. Videla und Bignone sitzen bereits wegen anderer Menschenrechtsverletzungen lebenslange Strafen ab.

Gentests helfen

Victoria Donda ist eines der Opfer. Ihre Mutter wurde hochschwanger in das Haftlager der Marineschule ESMA entführt und später ermordet. Nach Angaben überlebender Häftlinge hatte sie ihre dort geborene Tochter Victoria genannt. Erst 2003 wagte die junge Frau, mit Unterstützung der „Großmütter des Maiplatzes“ und der Vereinigung der entführten und wiedergefundenen Kinder „H.I.J.O.S“ (Kinder), nach ihrer wahren Identität zu fragen. Gentests gaben ihr ihren wahren Namen wieder.

Als die Marineschule ESMA vom damaligen Präsidenten Néstor Kirchner 2004 zum Gedenkplatz erklärt wurde, war auch Victoria Donda dabei. Der junge Mann, Juan Cabandié, der damals eine bewegende Ansprache hielt, hatte eben erst seine Identität wiedergewonnen.

„Mein Vater wurde von den Militärs verschleppt als ich noch nicht mal ein Jahr alt war“, sagt der heute 37-Jährige Enrique Pastor. Er engagiert sich bei „H.I.J.O.S“. „Doch noch bis in die 90er Jahre konnten wir nicht offen darüber sprechen, was passiert war. Die Mörder liefen ja dank weitläufiger Amnestiegesetze frei herum.“

Bei „H.I.J.O.S.“ fand er eine Möglichkeit, gegen das allgemeine Vergessen zu kämpfen. Die Mitglieder der Organisation recherchierten Daten von Verbrechern der Militärregierung und machten sie dann publik, etwa mit einer Demonstration vor deren Haus. Die Nachbarn wussten dann, dass dort ein Täter wohnte. „Heute ist das überflüssig“, sagt Pastor. „Da die Täter nicht von der Justiz verfolgt wurden, sorgten wir für eine soziale Ächtung. Doch jetzt gibt es endlich Prozesse. Heute arbeiten wir mit der Justiz zusammen.“

 
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