Bis heute tummeln sich die berühmten britischen Geheimdienste MI5 und MI6 in Cambridge und Oxford, um Studenten als Agenten zu rekrutieren. Aber auch Spione aus aller Welt sind dort zugange. Die Historikerin Karina Urbach, die selbst lange Zeit in der englischen Universitätsstadt Cambridge gelebt und studiert hat, schrieb mit „Cambridge 5“ einen Roman, der viele Bezüge zur Realität hat. Im Gespräch erklärt die Autorin, warum Cambridge und Oxford noch immer Rekrutierungszentren sind, warum Spione aus aller Welt dort zugange sind und warum Frauen als Agentinnen unterschätzt werden.
Karina Urbach: Mich hat fasziniert, wie aus ganz harmlosen, netten Studenten aus privilegierten Familien harte Fanatiker werden können. Das ist zeitübergreifend und beschäftigt uns auch heute. Wie werden Leute umgedreht, beispielsweise von einer Terrorgruppe wie dem Islamischen Staat? Anfangs waren die Cambridge Five Idealisten, wollten eine bessere Welt. Dann plötzlich gehen sie über Leichen und verlieren alle Hemmungen.
Urbach: Ja, denn Leute wie Philby gehörten zur Elite des Königreichs. Sie haben die beste Ausbildung genossen, bekamen tolle Jobs und stellten sich dann trotzdem gegen das eigene Vaterland, wurden zu Verrätern.
Urbach: Da gibt es einen großen kulturellen Unterschied. Auf der Insel herrscht eine gewisse Bewunderung für Nachrichtendienste, weil sie im Zweiten Weltkrieg wahnsinnig erfolgreich waren. Was Agenten geleistet haben, um den Krieg zu verkürzen, wird bis heute gefeiert. In Deutschland verbinden wir mit Nachrichtendiensten dagegen immer grauenhafte Dinge wie die Gestapo oder die Stasi und keinen einzigen Erfolg. Wegen der Nazis und der kommunistischen Vergangenheit setzen wir Geheimdienste mit der Bespitzelung der eigenen Bürger gleich. Viele haben Angst, dass sie zu große Macht bekommen. In Großbritannien dagegen weiß man, wie wichtig sie sind, zum Beispiel jetzt bei der Terrorbekämpfung, damit nicht noch Schlimmeres passiert.
Urbach: Cambridge und Oxford haben als Eliteuniversitäten eine lange Spionagetradition und man weiß, dass der MI5 und der MI6 noch immer dort anheuern. In Oxford war beispielsweise der berühmte Schriftsteller John Le Carré aktiv, der selbst zugegeben hat, als Student andere linke Studenten bespitzelt zu haben. Dahinter steckt die Idee, dass man an Unis wie in Cambridge Elite-Leute rekrutieren will, die viele Sprachen sprechen, die von ihrem Hintergrund her als patriotisch gelten. Zudem geht es so international zu, dass es nicht auffällt, wenn ein Doktorand oder Student mal ein paar Monate weg ist. Heute sind in Cambridge aber auch sehr viele Geheimdienste aus aller Welt zugange, etwa aus Russland oder China, um Industriespionage zu betreiben. Es gehört zu den wichtigsten Hightech-Zentren.
Urbach: Judi Dench spielt die Chefin von James Bond, sonst aber wird fast nie über Frauen geschrieben und wenn, dann werden sie als Verführungsobjekte beziehungsweise Sexfallen dargestellt. Dabei gibt es kluge Agentinnen, die an Operationen beteiligt sind, weil sie psychologischer denken, meistens mehr soziale Kompetenz haben und deshalb sensibler sind, um etwa Situationen einzuschätzen oder auch zu entschärfen. Bis heute werden Frauen leider als nicht so wichtig wahrgenommen und übersehen. Das macht sie aber auch ideal für diese Position.
Urbach: Als Kind hab ich manchmal gemerkt, dass bei meinem schon älteren Vater etwas anders war. Offiziell arbeitete er als Ingenieur für eine amerikanische Firma in Düsseldorf, hatte aber diesen Nebenjob. Meine Mutter hat sich dafür geschämt. Sie hat die Geheimdienstwelt als etwas Schmutziges, Düsteres empfunden und wollte damit nichts zu tun zu haben. Das sehe ich anders. Natürlich müssen Geheimdienste kontrolliert werden, aber die Aufgabe eines Staates ist es, seine Bürger zu schützen. Dafür braucht man Nachrichtendienste.