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DRESDEN
Gefangen im Feuersturm
reda
 |  aktualisiert: 11.11.2015 11:40 Uhr

„Am Theaterplatz – das sehe ich noch, als wäre es gestern gewesen – stand eine Straßenbahn, die brannte lichterloh.“ Ilse Nacke hat die Bombennacht von Dresden am 13. Februar 1945 als Kind erlebt. Dennoch hat sich ihr die Tragödie unauslöschlich eingeprägt: „Da war ein kleines Mädchen mit blutverschmierten Händen, das Bild werde ich nie vergessen.“ Zu diesem Zeitpunkt sitzt die Vierjährige mit ihrer Familie bereits im Keller ihres Wohnhauses gegenüber des Zwingers. Immer mehr Leute von der Straße suchen Unterschlupf in dem Luftschutzkeller. So ist es überall in Dresden, seitdem die Sirenen heulen.

„Es war Faschingsdienstag, das weiß ich noch ganz genau“, sagt Nacke. Auch an diesem Abend hat die Familie darauf geachtet, die Fenster wie angeordnet zu verdunkeln. Regelmäßig kontrollieren Streifen auf der Straße, ob die Einwohner das auch einhalten. Die Sirene weckt die Kinder aus dem Schlaf. Günther, der älteste von sieben Geschwistern, ist 14 Jahre alt. Jürgen, der Jüngste, ist erst zwei Tage vor Weihnachten geboren und wird fest umschlungen von der Mutter geschützt. Es sind Augenblicke wie dieser, die sich in das Gedächtnis des damals vierjährigen Mädchens einbrennen, auch wenn die meisten Erinnerungen aus Erzählungen der Eltern stammen. Draußen auf der Straße ist die Hölle los. Dumpf fallen die von der britischen Luftwaffe abgeworfenen Bomben auf die Häuser und Prachtbauten, verwandeln die barocke Innenstadt in eine Feuerwüste. Der Keller im Haus an der Ostra-Allee wird verschüttet. Es dauert eine Weile, bis sich die Familie mit Hilfe von außen befreien kann. „Vom Haus selbst stand nicht mehr viel, noch lange konnte man jedoch die Speisekammer sehen“, erzählt die Zeitzeugin.

Durch das Kronentor des Zwingers flieht die Familie zur Elbe. Die Kinder schützen sich mit Mundtüchern, die die Mutter für diesen Fall genäht hat. Zwischen Augustusbrücke und Marienbrücke verbringt die Familie von Ilse Nacke die Nacht. Am nächsten Tag geht es zu Fuß in Richtung „Blaues Wunder“, einer Brücke über die Elbe. Noch einmal kommen Flugzeuge, jetzt bombardiert die Luftwaffe der Amerikaner. Nacke glaubt wie viele Dresdner, sich an Tieffliegerangriffe zu erinnern. Ein Umstand, für den es bis heute keine Belege gibt.

„Es gab Luftkämpfe zwischen Jägern, die die Bomber begleiteten, und deutschen Abfangjägern“, sagt der Militärhistoriker Matthias Rogg: „Diejenigen, die als Zeitzeugen entsprechende Angaben machten, waren damals oft noch Kinder und konnten das nicht richtig einschätzen. Das muss man verstehen.“

Rogg erinnert daran, dass die von Dresden eingesetzte Historiker-Kommission sogenannte Verdachtsflächen, die sich aus übereinstimmenden Zeugenaussagen ergaben, noch einmal mit Tiefensonden absuchen ließ. „Für keine der untersuchten Flächen konnten Munitionsreste festgestellt werden, die mit Tiefflieger-Angriffen in Verbindung zu bringen sind“, heißt es.

Ilse Nacke schafft es mit ihren Geschwistern und Eltern aus der brennenden Stadt. Über Graupa gelingt die Flucht in die Sächsische Schweiz. Viele Dresdner schaffen es dagegen nicht. Nach neueren Forschungen kommen bei den Luftangriffen bis zu 25 000 Menschen ums Leben.

 
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