Schätzungsweise 50 000 Menschen haben zum 20. Jahrestag des Völkermordes im ostbosnischen Srebrenica 136 neu identifizierte Opfer in der Gedenkstätte zu Grabe getragen. Getrübt wurde die eindrucksvolle Zeremonie durch Angriffe auf den serbischen Regierungschef Aleksandar Vucic, die Belgrad als Mordversuch klassifizierte. Nach einer Sondersitzung seiner Regierung versicherte der frühere großserbische Nationalist, er werde weiter für eine Versöhnung mit dem Nachbarland eintreten. Die Vereinten Nationen und die Europäische Union verurteilten den Angriff scharf.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der an der Feier am Samstag teilgenommen hatte, sagte, er habe die Attacke aus nächster Nähe mitbekommen. Der „bedauernswerte Gewaltakt“ entspreche aber nicht der generellen Stimmung bei der Gedenkveranstaltung, die er als „würdig und feierlich“ wahrgenommen habe.
An dem Totengedenken nahmen zahlreiche Staats- und Regierungschefs aus der Region sowie viele Minister aus Westeuropa teil. Neben dem früheren US-Präsidenten Bill Clinton und der ehemaligen Außenministerin Madeleine Albright war auch der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu in die Gedenkstätte gekommen, in der bisher 6241 der über 8000 ermordeten muslimischen Jungen und Männer beerdigt wurden. Serbisches Militär und Paramilitärs hatten das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg verübt.
Politiker und Würdenträger hörten in der früheren Batteriefabrik 15 Reden, die zur Verfolgung der vielen noch nicht vor Gericht gestellten Täter und zur Versöhnung aufriefen. Die „Mütter von Srebrenica“ verteilten an die in- und ausländischen Gäste die „Blume Srebrenicas“ als Anstecker.
„Bringt Vucic um!“, rief eine aufgebrachte Menge beim Gang des serbischen Regierungschefs durch die Gedenkstätte. Flaschen, Schuhe und Steine flogen, die den Politiker leicht im Gesicht verletzten. Auch seine Brille ging zu Bruch. Nachdem die Menge einen Sicherheitszaun eingedrückt hatte, konnten Polizei, Geheimdienstler und Personenschützer Vucic und seine Begleitung nur knapp vor den anstürmenden Menschen retten.
Die Gedenkstätte „Potocari wurde geschändet“, kommentierte die Zeitung „Oslobodjenje“ am Sonntag in Sarajevo. „Damit sind auch die Mütter Srebrenicas angegriffen worden“, kritisierte deren Präsidentin Munira Subasic.